Im Herbst 2010 fanden in Berlin zwei bemerkenswerte Tagungen statt, die mich sehr inspiriert, berührt und wachgerüttelt haben. Die Tagung „Inklusive Leidenschaft – Lesben, Schwule, transgeschlechtliche Menschen mit Behinderung“ (21.-22.09.2010) hat mich so tief bewegt, dass ich mich entschieden habe, auch für Wien ein vergleichbares Kleinprojekt zu starten. Aus diesem Grund wird es im September 2011 einen Workshop mit Podiumsdiskussion mit dem Titel „Queer Bodies – Behinderung ist queere Kultur“ zu diesem Thema geben (nähere Informationen folgen in den Sommermonaten). Die Tagung zu inklusiver Leidenschaft hat mir Einblicke gewährt: nicht nur in die Ansichten von Menschen mit Behinderungen, sondern vor allem in meine eigene Verblendung. Z. B. klafften bei dem Workshop zu Sexualität und Behinderung zwei Welten aufeinander: die der Nicht-Behinderten (bzw. nicht erkennbar Behinderten), darunter Pädagog_innen und Sozialarbeiter_innen, und jene Menschen, deren Sexualleben zerpflückt werden sollte. Ziemlich hart, aber trotzdem zu Recht, wurde mir im Zuge der Diskussion von einem Teilnehmer klargemacht, dass ich mit meiner sogenannten politischen Korrektheit und dem Reden über Menschen mit Behinderung_en diskriminierend bin. Ich war mir den Folgen meiner privilegierten Position nicht vollständig bewusst. Das wunderbare an dieser Tagung war, dass sie keine Tagung über Menschen mit Behinderung_en war, sondern von und mit Menschen mit Behinderung. Nicht-behinderte Menschen wurden in ihren Kämpfen „für eine bessere Welt“ in die Schranken gewiesen und zum Zuhören gebracht. Nur so war es möglich, dass ich und andere vermeintlich Nicht-Behinderte offen blieben für einen richtigen Austausch. Unmittelbar danach organisierte die Humboldt Universität zu Berlin die internationale Konferenz „Queer Again? Power, Politics and Ethics“ (23.-25.09.2010) mit den Fach-Celebrities J. Jack Halberstam, José Esteban Muñoz und Susan Stryker. Vertreten waren auch die österreichische Wissenschafterin Heike Raab („Disability as Queer Culture“) und der Künstler Anthony Claire Wagner („Monster or Messenger? – Queer Interventions as a Beast and an Elf”). Ich persönlich war von den nicht so überrannten Vorträgen von Anthony C. Wagner oder Rachel White aus Großbritannien („No Fat Future? The Uses of Anti-Social Queer Theory for Fat Activism”) fasziniert. Rachel Whites Beispiele aktionistischer Dicker (zu denen auch sie* gehört) der zuvor noch nie gehörten „Chubsters Gang“ strotzte vor Empowerment und Elan. Am 28.1.2011 organisierte das Institut für Gender Studies der Universität Wien die Friday Lecture „Barrierefrei?! Perspektiven der Disability und Gender/Queer Studies auf die Hochschullandschaft“ und lud dazu begehrte internationale Sprecher_innen ein; Podcasts zum Anhören gibt es hier. Wer mehr zu Anthony C. Wagners magischen Biest und Elfenarbeiten sehen/hören und gleich selbst mitmachen will, sollte am besten zur Konferenz „Import-Export-Transport: Queer Theory, queer Critique and queer Activism in Motion“ an der Universität Wien (28.-30.04.2010) kommen. Es wird spannend werden! Vortragende und Workshopleiter_innen aus HU, SRB, D, CH, SLO, UK, NL, den USA u. u. u. machen diese Konferenz zu einem europaweiten Event für queere Wissenschafter_innen und aktivistische Queeries. Das Programm kann man hier herunterladen. Hiermit wünsche ich euch Fairies, Monsters und noch Unschlüssigen eine inspirierten Frühling!