Was für ein Tränendrüsen-Drama! Mit Prayers for Bobby des australischen Regisseurs Russel Mulcahy setzen IDENTITIES ganz große Gefühle und gewinnen dank der großartigen Sigourney Weaver. Der 18-jährige Bobby lebt in einer streng gläubigen amerikanischen Mittelklasse-Familie, mit einem älteren sportlichen Bruder, zwei Schwestern, einem farblosen Vater und einer Mutter, die ein festes Regime nach den Regeln der Bibel führt. Als Bobby seinem Bruder gesteht, dass er sich zu Männern hingezogen fühlt, weiß sich dieser in seiner Hilflosigkeit keinen anderen Rat, als seine Mutter, der zu Homosexualität nur verurteilende Bibelzitate einfallen, einzuweihen. Die scheinbar heile Familie steht vor einer Zerreißprobe, als Bobby alle Heilungsversuche zurückweist und nach Portland geht, um erste schwule Erfahrungen zu machen. Doch Bobby erträgt die Ablehnung seiner Mutter nicht und stürzt sich von einer Brücke. Jetzt beginnt das eigentliche Drama. Langsam beginnt Mary Griffith zu begreifen, dass ihr Sohn an ihrer und der Ablehnung der Gesellschaft zugrunde gegangen ist. In auch für Schwule und Lesben offenen Kirche findet sie Ansprache, erkennt, dass die Worte der Bibel nach den Grundsätzen der Menschlichkeit gelesen werden müssen. Und sie beginnt sich bei einer Organisation zu engagieren, die sich für Toleranz einsetzt: PFLAG – Parents & Friends of Lesbian And Gays. Und das ist alles eine wahre Geschichte aus der amerikanischen Provinz der frühen 1980er Jahre: Mary Griffiths Geschichte ist nicht erfunden, auch wenn sie alle Zutaten für ein großes Drama enthält. Diese großen dramatischen Momente kostet Regisseur Mulcahy mitunter bis an die Kitschgrenze aus. Aber der Film hat einen Kristallisationspunkt: Sigourney Weaver, die Mary Griffith mit unglaublicher Intensität spielt. Wie die in ihrem Glauben verhärtete Frau nach dem Verlust ihres Sohnes langsam aufzubrechen beginnt, wie ihre Verzweiflung ihre Zweifel schürt und wie sie sich für ein Leben ohne Verachtung und Hass entscheidet, ist ganz großes Kino. Von einer gequälten, verkrampften Frau wandelt sie sich zu einem aufrechten, offenen Menschen. Mitreißend, berührend und absolut familientauglich. Wenn man hört, dass 2011 der Katholische Ärzteverband in Deutschland die Heilung von Homosexuelle propagiert, wünscht man sich Prayers for Bobby ins Fernseh-Hauptabendprogramm zur besten Sendezeit.