QWIEN möchte als Archiv Erinnerungen bewahren, nicht nur jene, die in Büchern und Magazinen, auf Filmen, Fotos oder Tondokumenten gespeichert sind. Wir möchten alle unsere FreundInnen auffordern, Ihre Erinnerungen mit uns zu teilen. Schicken Sie uns ihre Texte und Bilder, wir bewahren sie vor dem Vergessen.
erzählt von Andreas Brunner Als ich vor wenigen Tagen eine Ausgabe der Bezirkszeitungdurchblätterte, stieß ich auf ein Foto der Stadträtinnen Sonja Wehsely und Sandra Frauenberger gemeinsam mit Angela Schwarz und Wolfgang Wilhelm von der Wiener Antidiskriminierungsstellebeim Hissen des Red Ribbons am Wiener Rathaus anläßlich der Welt-Aids-Tages 2011. Die Fahne zierte ein Slogan, der mir bekannt vorkam: Bekämpft Aids nicht Menschen mit Aids. Im Winter 1990 arbeitete ich in der Rosa Lila Villa mit, ich war ein junger, bewegter Schwuler. Mit meinen FreundInnen in der Villa machte ich die Zeitschrift tamtam und wir waren natürlich auch im Kampf gegen HIV und Aids engagiert. In diesem Winter 1990 war Aids für uns eine reale Bedrohung, es gab kaum Medikamente, die heute das HI-Virus im Schach haltende Kombinationsthearpie war noch nicht gefunden, Freunde und Bekannte starben. Aber nicht nur die Krankheit selbst beschäftigte uns, auch die sozialen Folgen der Infektion waren ein wichtiges Thema. Selbst in der Szene wurde HIV-Positive ausgegrenzt. Nicht nur das Virus selbst sorgte für Angst, viele Infizierte, egal ob schwule Männer, Drogenabhängige oder Bluter fürchteten die Ausgrenzung. Ein Freund aus den USA hatte mir ein T-Shirt geschenkt: Fight Aids Not People with Aids, die Schrift auf einem fluoreszierenden Dreieck, das ich auch wacker trug und mit dem ich in dunkleren Ecken mancher Szenelokale für Irritation sorgte. Aber ich war ohnehin frisch verliebt und nicht auf der Suche nach Anschluss. Ich erinnere mich noch an viele Menschen aus jenen Tagen in der Villa, an BewohnerInnen der drei Wohngemeinschaften (eine Männer-, eine Frauen- und eine gemischte WG), an AktivistInnen im Rosa Lila Tipp (damals arbeiteten Schwule und Lesben noch zusammen) und viel Stammgäste des Willendorf. Ein Bewohner war Hannes Pähler, der sich – selbst HIV-positiv – im Kampf gegen Aids engagierte. Ein Kampf mit sehr beschränkten Mitteln aber großem Einsatz.
Bekämpft Aids nicht Menschen mit Aids wurde der Slogan eines Plakats, dessen Druck Hannes Pähler „organisierte“: Schwarzer Grund mit knallroter Schrift, im Format A1 (oder war es nur A2 und es wird nur in meiner Erinnerung größer?). Die REMA-Print hatte es gratis gedruckt. Zum Weltaidstag planten wir eine Plakataktion, illegal natürlich. Verschiedene Trupps, zu Zweit oder Dritt, machten wir uns auf den Weg. Es war eine eiskalte Winternacht und ich hatte mit meinem damaligen Freund entlang der Wienzeile und rund um den Naschmarkt zu plakatieren. Keine abgebrühten Profis im Schwarzplakatieren wählten wir sicher nicht die prominentesten, gut einsehbaren Plätze, aber jedes geklebte Plakat sollte die Botschaft transportieren: „Bekämpft Aids nicht Menschen mit Aids“. Unserer Plakataktion setzte der Winter ein rasches Ende. Es war so kalt, dass uns bald der Kleister fror, während wir das Plakat aufkleben wollten. Sie klebten nicht mehr, sondern rutschten am gefrorenen Kleister ab. Aber heute hängt der Slogan vom Wiener Rathaus. Eine schöne Karriere für einen Slogan, der bei einer illegalen Plakataktion seine Geburtsstunde hatte. Das T-Shirt befindet sich im Archiv von QWIEN, seine Leuchtkraft hat es inzwischen aber verloren.
Hannes Pähler hätte dieser Erfolg sicher gefreut, er starb aber 29-jährig an den Folgen seiner Aids-Erkrankung am 13. 1. 1992. Wenige Monate zuvor war er als Bewohner der zu dieser Zeit von der ÖVP unter ihrem Bezirksvorsteher Kurt Pint (ihn ehrt heute ein Platz vor der Gumpendorfer Pfarrkirche) heftig bekämpften Rosa Lila Villa von der Grünen Alternative zum Bezirksrat gewählt worden. In tamtam 10/1991 begründete er sein Engagement mit den Worten: „Weil uns die Zeit zu brisant ist, um zu schweigen. Weil uns die Zeit zu gefährlich ist, um nichts zu tun und zuzusehen. Weil uns die Zeit zu sehr drängt, um abzuwarten, müssen wir dabei sein, um unser Mitbestimmungsrecht zu verwirklichen. Wer nicht sieht, dass Rassismus und Sexismus um sich greifen, der Ausländerhass immer brutaler wird, Minderheiten gefährdet sind, ist nicht kurzsichtig, sondern blind. Wir wollen uns nicht länger für blöd verkaufen lassen und uns gegen Vorurteile, gegen Homosexuellenhetze jeglicher Art und gegen den aggressiven konservativen Trend wehren.“