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Beforschte Männlichkeit

Der an der Salzburger Paris-Lodron-Universität lehrende Professor für Amerikanische Literatur und Kulturwissenschaft Ralph J. Poole gehört zu einer seltenen akademischen Spezies: Er ist Männerforscher. Mit dem Titel des einleitenden Vorworts verdeutlicht Poole die Spannbreite seiner Aufsatzsammlung aus mehr als einem Jahrzehnt akademischer Forschung: „Gefährliche Männer – gefährdete Männer“. Denn: „Genderforschung kann gefährlich sein“, heißt es bald – zumindest auf dem akademischen Parkett. Einerseits von der feministischen Forschung misstrauisch als antifeministisch beäugt, andererseits vom Gros der akademischen Zunft belächelt und nur am Rande wahrgenommen hatten und haben es männerforschende Männer nicht leicht. Zudem gibt es zahlreiche Abgrenzungsprobleme, sei es zu feministischen Studien oder zur ebenfalls recht jungen Zunft der Gay & Lesbian oder Queer Studies. Liest man die acht in diesem Band versammelten Aufsätze fragt man sich mitunter auch, was es mit diesem Label Masculinity Studies auf sich hat, da sie allesamt auch als Gender, Gay & Lesbian oder Queer Studies gelesen werden könnten. Dabei sind die verhandelten Themen wahrlich vielfältig und abseits breit getretener akademischer Wege. „Der schöne Finne im Wilden Westen“ mag auf den ersten Blick ein recht entlegenes Thema sein, zumal in der amerikanischen Literatur des 19. Jahrhunderts, aber Ralph J. Poole schafft es mühelos den Bogen zu einer Diskussion über männliche Schönheit bei Winckelmann bis zu der hypermaskuliner Fantasien eines Tom of Finland zu spannen. Da folgt man Hubert Fichte auf seiner ethnologischen Spurensuche durch das New York der 1960er und 1970er Jahre und ist dabei mit einer Debatte über Kolonialismus und Rassismus konfrontiert, um in einem anderen Beitrag von einer Spezialdisziplin der postkolonialen Studien, den Whiteness Studies, zu lesen. Poole bewegt sich damit in einem der wichtigsten aktuellen Bereiche der Queer Studies (man denke nur etwa an die jüngste Publikation von Hanna Hacker, Queer entwickeln, die sich ebenfalls in Spannungsfeld Critical Whiteness Studies, Border Studies und Kritischer Geografie verortet). Dass 1991 ein Serienmörderhype ausbrach, mag Zufall sein. Verhaftet wurde jedenfalls Jeffrey Dahmer, der 17 junge, meist farbige Männer ermordete und teilweise verspeist hatte. Daneben schockierte Das Schweigen der Lämmer die KinobesucherInnen und Bret Easton Ellis mit seinem American Psycho die Literaturwelt. Eines verbindet diese drei Beispiele: Homosexualität und Nekrophilie, die Poole auch als treibendes Motiv von Joyce Carol Oates wenig beachteten Roman Zombieausmacht (warum dieser „eine ähnlich mühsame Lektüre wie American Psycho“ darstellt, lässt Poole aber offen). Das körperbetonte Theater des an Aids verstorbenen Tanztheatermachers Reza Abdohs, Michel Tourniers Roman Vendredi als homosexuelle Robinson Crusoe Paraphrase, die durchaus vieldeutige Verwendung und Rezeption des tearooms in der amerikanischen Kultur (vom subkulturellen schwulen Begegnungsraum bis zum Ort des Seelenstriptease in Sex and the City – Ralph J. Poole versteht es zu fesseln, mag es manchmal auch schwer und mühsam sein, seinen diskursiven Rösselsprüngen zu folgen. Egal ob man sich nun für Masculinity, Queer oder einfach Gender Studies interessiert, es lassen sich eine Menge an intellektuellen Anregungen in seiner Aufsatzsammlung finden. Ralph J. Poole: Gefährliche Maskulinitäten. Männlichkeit und Subversion am Rande der Kulturen. Bielefeld: transcript 2012(erhältlich bei Löwenherz) PS: „Nachdenken über Männer kann sexy sein.“ – Ralph J. Poole über sein Buch in einem Satz. Das ganze Interview hier.

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