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Stonewall in Wien – die 1980er: Sepp Engelmeier

Was ist deine erste Erinnerung an Stonewall?
Also Stonewall kam für mich später – nach meinem Coming-Out. Man hat was mitbekommen, aber Amerika war damals noch weit weg – für mich zumindest. Ich hab immer von Freunden gehört, die viel rübergefahren sind. Aber vom Politischen her habe ich das erst viel später registriert.
Wo waren deine Anlaufstellen in der Szene zu dieser Zeit?
Der Beginn – das hat mit meinem Coming-out zu tun gehabt – war 1974, da hab ich dann gesucht und geschaut, ob es was gibt. Bis dahin hab ich wirklich geglaubt, ich bin der einzige Mensch! Und draufgekommen bin ich eigentlich in München, wo ich am Bahnhofskiosk das Du & Ich oder irgend so etwas oder auch das HOM entdeckt habe. Und zufälligerweise war da grad ein Artikel über Wien und was es in Wien gibt. Ich war ganz überrascht, dass es auch in Wien Lokale gab, und dann bin ich halt auf die Suche gegangen. Die waren alle ganz versteckt und eigentlich ganz ganz fürchterlich. Das war unvorstellbar, ja, das war für mich Mittelalter eigentlich.
Welche Lokale waren das?
Ich kann mich ganz genau an die Lokale erinnern, aber an die Namen überhaupt nicht. Die waren so obskur. Das eine hab ich dann bezeichnet als chinesischen Heurigen, das war irgendwo im Achten, bei der Laudongasse oder so. Es dürfte einmal ein Kino gewesen sein, so Riesenhallen waren das, drinnen sind Heurigenbänke und Heurigentische mit karierten, rot-weiß-karierten Servietterln in der Mitte, wo der Aschenbecher drauf gestanden ist und so was. Es gab sogar einen DJ, also jemanden, der Platten aufgelegt hat – und das wurde als Lokal verkauft, als schwules. Also für mich war das entsetzlich. Das nächste war dann, da hab ich davon gelesen, in der Schönlaterngasse oder in der Bäckerstraße. Die Weinstub’n hat es geheißen und hat dann als Hyde Park aufgemacht. Ich bin da tagelang vor dem Lokal – da gab so eine Seitengasse – herum gecruised, geschaut, wer geht dort rein und dann hab ich meinen Mut zusammen genommen und bin über die Straße und wollte rein. Dann bin ich vor verschlossener Türe gestanden – es ist gestanden „Wegen Umbau geschlossen“ – und in ein paar Wochen wurde es dann als Hyde Park aufgesperrt. Am nächsten Tag war ich gleich wieder drin, weil’s so toll war für mich.
In den 1980er Jahren passierten ja auch die ersten Vereinsgründungen in der Lederszene. Wie hast du das erlebt?
Nach den ersten informellen Motorradausflügen entstand so der Wunsch, ein bisschen mehr draus zu machen. Der Peter Holub und sein Freund haben dann den Verein LMC gegründet. Ich hab dann
später die Organisation übernommen, hab das ganze LMC Vienna genannt und hab das so über die nächsten zehn Jahre betrieben. Also das war damals ein reges Community-Leben.
In der Außensicht war dann die LMC angesichts der Aids-Krise eine sehr aktive Gruppe, sowohl was Präventionsarbeit, als auch was Hilfe und Selbsthilfe anbelangt.
Wir waren damals eine Gruppe, die auch viel Schifahren ging, und da war ein Arzt dabei, der sich sehr engagiert hat. Der hat die Leute aufgefordert mitzukommen und eine Blutuntersuchung zu machen. Man wusste ja fast noch gar nichts. Die Lederszene hat sich dann bald sehr gut organisiert gehabt, ich als Grafiker hab die ganzen Flyer und Plakate für die Clubs gemacht. Über die internationalen Gruppen gab’s dann auch Zusammenarbeit, vor allem mit den Schweizern, die eine Safer-Sex-Broschüre für Ledermänner herausgebracht haben.
Was hat für dich eine Lesben- und Schwulenvertretung über die Jahrzehnte bedeutet?
Damals war es einfach eine politische Notwendigkeit, in Gruppen zu sein oder mitzutun, sich zu engagieren, weil es einfach politisch irrsinnig schwierig war. Wie die Situation wirklich früher war für Schwule, kann sich keiner mehr vorstellen.

Alle Interviews von „Stonewall in Wien“: https://www.qwien.at/stonewall-in-wien/

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