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Stonewall in Wien – die 1990er: Johannes Wahala

Was hat sich in den letzten 40 Jahren seitens der katholischen Kirche in Bezug auf die Homosexualität geändert?
Also in der katholischen Kirche gab es sehr wohl einen Wandel im Bereich des Themas Homosexualität. Früher war es so, dass Homosexualität rein als Sünde galt, als Sünde wider die Natur, als – psychoanalytisch gesprochen – pervers. Heute hat man in der katholischen Kirche wenigstens einen wichtigen Paradigmenwechsel gemacht. So unterscheidet man heute zwischen einer  homosexuellen Veranlagung und homosexuellem Verhalten. Man sagt in der katholischen Kirche heute– und das ist auch offizielle Lehre laut Weltkatechismus – eine nicht geringe Anzahl von Frauen und Männern haben eine homosexuelle Veranlagung. Sie haben diese nicht selbst gewählt.“ Das heißt, es gibt heute zumindest ein Rezipieren der Humanwissenschaften. Das zweite, wo sich die katholische Kirche nicht verändert hat bis zum heutigen Tage, ist, dass sie sagt, homosexuelles Verhalten auch zweier gleichgeschlechtlich empfindender und liebender Menschen ist letztlich Sünde
und letztlich wider die Natur.
Warum macht es die katholische Kirche ihren Gläubigen und ihrem Personal so schwer?
Wir leben in einer Gesellschaft, die sich wenigstens in den letzten 30-40 Jahren doch sehr deutlich individualisiert hat. Das heißt, die Gesellschaft hat sich immer mehr aus dem Individualleben des Menschen zurückgezogen, so auch die Politik. Die katholische Kirche vollzieht letztlich verspätet eine ähnliche Tendenz. Wenn ich mir jetzt die Diskussion in Österreich um das Lebenspartnergesetz ansehe, dann nehme ich derzeit kaum etwas von Reaktionen der katholischen Kirche wahr. Das heißt, die katholische Kirche hat erkannt, dass sie derart individuell in das Leben der Einzelnen nicht oder nicht mehr eingreifen kann, weil sie hier ihre moralische Kompetenz oder Macht zunehmend verloren hat.
Du hast aber ihre alte Macht noch am eigenen Leib erfahren. Was geschah damals?
Im Zuge der Causa Groer hat der neue Bischof damals eine Arbeitsgruppe einberufen. Der Kardinal hatte aber zwei sehr fundamentalistische Vertreter_innen eingeladen, an denen jede inhaltliche Diskussion gescheitert ist. Während ich noch in der Arbeitsgruppe war, war gleichzeitig auch das 6. Österreichische Lesben- und Schwulenforum in Dornbirn, und der damalige Generalvikar des Bischofs von Feldkirch, Elmar Fischer, hat ein wirklich schauriges Pamphlet über Homosexuelle herausgegeben, das homosexuelle Menschen massiv pathologisiert und verletzt hat. Als Mitglied des Arbeitskreises habe ich mich damals entschlossen, eine Stellungnahme zu schreiben, von der ich wollte, dass sie kirchenintern bleibt. Aber am folgenden Montag stand Alfred Worm vor meiner Tür. Der Bischof von Feldkirch hat allen Priestern die Teilnahme am ökumenischen Gottesdienst des ÖLSF verboten. Das war für mich der erste Bruch mit der katholischen Kirche und ich hab mich entschlossen, sofort nach Vorarlberg zu fliegen und am Gottesdienst teilzunehmen. Wir haben dann in Wien begonnen, die sogenannten Junia-Gottesdienste zu feiern, zunächst im Schottenstift – der Abt ist voll dahinter gestanden und der erste Gottesdienst fand dort am 24. Dezember 1996 statt – , wo sie der Kardinal erneut verboten hat – mit der Begründung der Nähe zur Schule. Das war mein zweiter Crash, da war ich innerlich schwer betroffen und es hat meinen Kampfgeist angeheizt. Dann haben wir einen neuen Ort für den Gottesdienst gefunden, die Universitätskirche bei den Jesuiten. Daraufhin hat der Kardinal diese Gottesdienste in seinem Wirkungsbereich verboten. Und dann war mir endgültig klar, in meiner Glaubensgemeinschaft ist ein ehrliches Engagement in dieser Sache nicht möglich. Das Zeichen, dass wir dann gesetzt haben, war der Junia-Gottesdienst im Wiental. Und erst dort habe ich dann erfahren, dass der Kardinal in einem Radio-Interview gesagt hat, dass ich ein Verbot von ihm erhalten habe und ich gegen seine Intentionen handeln würde. Das war einfach eine Lüge. Am Ende eines Jahres entschloss ich mich dann, von meinen priesterlichen Funktionen zurückzutreten.
Ein Jahr später hast du dann die Beratungsstelle Courage gegründet.
Ja, ich hab dann noch eine zweite psychotherapeutische und eine sexualtherapeutische Ausbildung gemacht. Wir sehen uns nicht als politischer Lobbying-Verein. Unsere Aufgaben heißen: Beratung, Aufklärungs- und Bildungsarbeit und Forschung.

Alle Interviews von „Stonewall in Wien“: https://www.qwien.at/stonewall-in-wien/

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