Europride 2001 war sicher eine große Herausforderung. Wie hat das im Vorfeld funktioniert?
Connie Lichtenegger: 2001 war sicher ein ganz besonderes Jahr für die Lesben- und Schwulenbewegung in Wien. Wir waren nicht ganz 10 Leute, die das gemacht haben, je nach Ressourcen und Möglichkeiten – und das mit ziemlicher Beachtung international.
Was waren die schwierigsten Aufgaben?
CL: Das kann man so nicht sagen, denn es hat sich irgendwann in einem “Es ist alles zuviel” verloren. Das Gesamte war ein unglaubliches Ding, das wir doch gemeinsam geschafft haben.
Es gab 2001 zum ersten Mal Regenbogenfähnchen auf Straßenbahnen. Wie kam es dazu?
Veit Georg Schmidt: Ich war an diesen Straßenbahnfähnchen seit etwa zweieinhalb Jahre dran. Die Erstauskunft der Wiener Linien war: „Wir wissen nicht wie viele Garnituren wir in Betrieb haben und können deshalb auch gar keine Aussage machen, wie das möglich sein soll“. Es war eigentlich schon gescheitert und plötzlich bekam ich einen Anruf der Wiener Linien, sie möchten das doch machen. Daher musste ich mit in Windeseile was überlegen, und so kam die Geschichte mit den Patenschaften in die Welt. Die Fähnchen sind also passend zu Europride gekommen, aber eigentlich war Europride sogar eine Gefahr für die Fähnchen.
Wie habt ihr den Tag selbst erlebt?
CL: Den Tag von Europride selbst werde ich nie vergessen. Ich habe natürlich kein Auge zugetan. Wir waren um 5 Uhr früh am Parkplatz, schon mal schauen, was sich so tut. Ab 6 kamen die ersten LKWs zum Dekorieren. Ich war auch Gastro-Verantwortliche und musste schauen, ob alle Getränkewagen unterwegs sind. Es ging von 5 Uhr früh bis zum nächsten Tag mittags durch.
Wie europäisch war Europride?
CL: Es war sehr europäisch. Wir haben sehr viel Wert darauf gelegt, dass es wirklich eine europäische Parade wird. Wir haben damals schon versucht, diese Idee Europa mit Ostöffnung aufzugreifen
und haben uns sehr bemüht auch Menschen aus dem ehemaligen Osten die Teilnahme zu ermöglichen.
Soll sich Wien wieder für einen Europride bewerben?
CL: Europride in der Form kann man sicher nicht mehr nach Wien holen. Das war erstmalig, einzigartig und nie wieder bringbar. Ich denke mir aber schon, den europäischen Gedanken, Wien als dieses Tor, das Wien ja auch darstellt, zu transportieren, wäre schon etwas, das ganz fein wäre.
Wie nachhaltig war Europride?
CL: Das ist eine Frage, die ich mir auch oft stelle. Es war sehr nachhaltig unmittelbar danach. Was mich sehr beeindruckt hatte, war zu sehen, was in Wien möglich ist, was mit verschiedenen Vereinen, Organisationen und Initiativen in Wien gemeinsam möglich ist. Wir hatten ja ein Europride-Monat, das heißt wir hatten jeden Tag mindestens zwei, drei Veranstaltungen. Aber die Nachhaltigkeit? Ich weiß nicht, warum es nicht blieb. Das weiß ich bis heute nicht.
Wie bettet ihr Europride in die Emanzipationsgeschichte ein, insbesondere zu Stonewall 1969?
VGS: Wichtig ist immer, dass man sich bewusst macht, dass wir als Veranstalter_innen von Paraden diese Kontinuität, diesen Bezug, herstellen, den es eigentlich gar nicht gibt. Das ist seit über 100 Jahren so. Die lesbisch-schwule Emanzipationsgeschichte ist eine Geschichte von Diskontinuitäten, teilweise erzwungenen durch öffentliche, staatliche, gesellschaftliche Repressionen, sei es aber auch dadurch, dass es zu keiner Zeit eine beständige, legitimierende und repräsentative Struktur gegeben hat. Insofern sind alle Aktivitäten die man tut in einem gewissen Emanzipationswillen eingebettet und der bezieht sich natürlich auf dieses Highlight 1969, bzw., die erste Demonstration ein Jahr später. Aber im Sinne einer klassischen Geschichte, die auf Kontinuitäten abzielt, gibt es diese Kontinuität nicht. Es gibt im Gegensatz zu allen gesellschaftlichen Vorgängen, die überprüfende Instanz nicht. Die ist man immer nur selbst. Insofern ist es auch wichtig, dass man so einen historischen Bezug herstellt, an dem man sich selbst misst.
Alle Interviews von „Stonewall in Wien“: https://www.qwien.at/stonewall-in-wien/