Mit Das Regenbogen-Experiment. Sind Schwule und Lesben die besseren Eltern?, legt Katja Irle einen soliden und schnellen Einstieg für alle, die mehr über Regenbogenfamilien wissen wollen, vor. Johanna Taufner hat das Buch für QWIEN gelesen.
In ihrem aktuellen Buch, in welchem sie sich vordergründig mit der Situation in Deutschland – stets im internationalem Vergleich mit anderen Ländern – befasst, versucht sie den Themenkomplex Regenbogenfamilie multiperspektivisch zu betrachten. Sowohl die politische Debatte, die Auseinandersetzung innerhalb der Kirchen und Religionsgemeinschaften, aber auch Meinungen aus bindungswissenschaftlicher, kinder- und jugendpsychologischer Sicht sowie Erfahrungen von Familien selbst finden Erwähnung.
Die Erwachsenen
Das Buch teilt sich in zwei Schwerpunkte auf. Im ersten Teil wird der Fokus auf die Ebene der Erwachsenen gelegt. Hier wird zuerst der Frage nachgegangen, was eine Regenbogenfamilie überhaupt ist. Die Geschichte des Begriffs und die weite Definition, die verschiedenste Familienkonstellationen und Lebenskonzepte miteinschließt, werden besprochen. Nach Möglichkeiten einer Elternschaft, von der Adoption über Leihmutterschaft bis hin zu Insemination, werden vor allem die Hindernisse und Herausforderungen von gleichgeschlechtlichen Paaren gesellschaftlich, rechtlich und politisch beleuchtet. Hier ist im Besonderen die Schulklasse zu erwähnen, die durch einen alltäglichen homophoben Sprachgebrauch und andere Schikanen sowohl für Eltern, aber vor allem auch für die Kinder zu einem Ort der Diskriminierung und Ausgrenzung werden kann, wie eine Studie an der Humboldt Universität Berlin 2011/2012 ergab. Demnach werden Wörter wie „schwul“ oder „Schwuchtel“ von 62% der Berliner Sechstklässler und 54% der Neunt- und Zehntklässler regulär als Schimpfwörter verwendet.
Die Kinder
Der zweite Teil thematisiert die Ebene der Kinder. Hier diskutiert Irle vor allem die Frage nach einer gesunden Identitätsbildung der kleinen Heranwachsenden. Dafür lässt sie Befürworter_innen und Gegner_innen zu Wort kommen und versucht das Thema aus wissenschaftlicher Sicht zu beleuchten. Durch das Aufbrechen der Verbindung von Sexualität und Elternschaft stellen sich neue Herausforderungen für Eltern und Kinder, denn: Jedes Kind braucht eine Ursprungsgeschichte. Darum fordert Irle mehr Forschung zu Identitätsfindung von Kindern. Doch diese Diskussion, so die Autorin, muss unabhängig vom Geschlecht der Eltern geführt werden, da die neue Reproduktionsmedizin in Hetero-Familien genauso Anwendung findet.
Zu guter Letzt zeigt Irle, dass es die perfekte Familie nicht gibt, aber es gibt Rahmenbedingungen, die es Kindern ermöglichen ein stabiles Selbstwertgefühl zu entwickeln. Das Geschlecht der Eltern mag zwar keine zu vernachlässigende Tatsache sein, aber es gibt wesentlich wichtigere Dinge, die für das Wohl der Kinder essentiell sind: eine stabile Bindung an die Eltern und eine solide Beziehung der Partner_innen untereinander. Erst wenn Regenbogenfamilien ihren exotischen Status verlieren und als ein Familienmodell unter vielen verstanden werden, können die vielen Gemeinsamkeiten sichtbar gemacht werden, die alle Familien miteinander teilen. Die klassische Familie, auf die sich konservative Gegner_innen oftmals berufen, gibt es selten. Vielmehr ist das Spektrum der Familien gezeichnet durch Patchwork, Alleinerzieher_innen, WG-Kinder und andere Modelle. Erst wenn das erkannt wird, kann eine offene Diskussion über die Regenbogenfamilie geführt werden und politische Maßnahmen gesetzt werden, die den Familien und im Besonderen den Kindern gezielt zu Gute kommen.
Fazit: Das Regenbogen-Experiment. Sind Schwule und Lesben die besseren Eltern?, ist einfach und schnell zu lesen und kann als unkomplizierter Einstieg in die Thematik empfohlen werden.
Katja Irle: Das Regenbogen-Experiment. Sind Schwule und Lesben die besseren Eltern? Weinheim/Basel: Beltz 2014, erhältlich bei Löwenherz