Ein schwuler Journalist hat über seine erste schwule Kreuzfahrt ein Buch geschrieben. Manuela Bauer hat es gelesen.
Ein Kreuzfahrtschiff. 3000 schwule Männer. Frei nach dem Motto „Endless Fun. Your Way“ bricht die Splendor zu einer einwöchigen Non-Stop-Party-Reise zwischen Long Beach, Südkalifornien und Puerto Vallarta, auf. Unter den 3000 Männern befindet sich auch der Journalist Steven Brown, der sich im Auftrag des Verlegers Till Tolkemitt an Bord begibt. Tolkemitt hatte zuvor bei Brown, der bereits einige Artikel zum Thema „gay cruising“ (der Suche nach Sex an öffentlichen Orten) veröffentlicht hatte, angefragt, ob dieser als Spezialist für Gay Cruise (Tolkemitt meinte damit allerdings den aufstrebenden Wirtschaftszweig „schwuler Kreuzfahrten“) nicht ein „witziges, wahres, kluges, aber auch spaßiges Buch“ für seinen Verlag schreiben wolle. Im Laufe der Korrespondenz zwischen Brown und Tolkemitt klärt sich das Missverständnis um die möglichen Deutungen des Begriffs „gay cruising“ schließlich auf und Brown ist bereit, eine Geschichte über diese „liebenswürdige Schau homosexueller Extravaganz“ zu verfassen.
Brown, der vor Antritt der Reise keine Ahnung von der Existenz schwuler Kreuzfahrten hat, begibt sich somit auf ein einwöchiges Experiment der Extraklasse. Er wird zum ultimativen Beobachter seiner außergewöhnlichen Umgebung und lernt dabei die unterschiedlichsten Charaktere und Schicksale kennen. Doch zwischen den fragwürdig unterhaltsamen Shows, riesigen Buffets, Pool-Partys, winzigen, fensterlosen 2-Mann-Kabinen und knappen Glitzerhöschen wird dem eher zurückhaltenden und monogamem Brown die Party-und Spaßgesellschaft sehr bald lästig, weshalb er sich – um der auferlegten Oberflächlichkeit an diesem „sinnlosen Ort“ zu entkommen – immer öfter in Tagträume flüchtet und sein bisheriges Leben Revue passieren lässt. Dabei denkt er vor allem an die gemeinsame Zeit mit seinem in Deutschland lebenden Freund Linus, den er von Tag zu Tag mehr vermisst.
Steven Brown ist mit seinem Erstlingswerk eine amüsante, sarkastisch-ironische Geschichte über die biederste aller Reisemöglichkeiten gelungen. Aufgrund der Klientel an Bord bedient er sich dabei auch unweigerlich sämtlicher vorherrschender Klischees. Doch man erkennt auch sehr schnell, dass Brown mit „Glänze, Gespenst“ ein sehr nachdenkliches und tiefgreifendes Werk über die Kraft und die Macht der Liebe zwischen zwei Menschen verfasst hat. Definitive Leseempfehlung!
Steven M. Brown: Glänze, Gespenst. Über Hoffnung und Verzweiflung einer schwulen Kreuzfahrt. Berlin: Tolkemitt 2014, erhältlich bei Löwenherz