Präsentation eines Beitrags über den britisch-amerikanischen Dichter Wystan Hugh Auden und dessen schwules Leben in Wien und Kirchstetten in der Buchhandlung Löwenherz.
Obwohl W. H. Auden einer der bedeutendsten englischsprachigen Lyriker des 20. Jahrhunderts war, u. a. für den Nobelpreis nominiert, ist er heute fast vergessen. Bis vor kurzem war auf den deutschen Buchmarkt keine einzige seiner zahlreichen Publikationen lieferbar. Umso verdienstvoller ist die Neuübersetzung eines späten Gedichtzyklus von Auden, der nun in der Literaturedition Niederösterreich erschienen ist. Thanksgiving für eine Habitat nannte Auden einen aus zwölf Langgedichten bestehenden Zyklus, der sich den Räumen seines Hauses in Kirchstetten widmet. Auden hatte das alte Bauernhaus in Niederösterreich Ende der 1950er-Jahre gekauft, weil er als Musikliebhaber in der Nähe eines großen Opernhauses leben wollte. Gemeinsam mit seinem Lebensgefährten Chester Kallman lebte er in Kirchstetten eine für seine Zeit erstaunlich offene schwule Beziehung und schrieb mit ihm dort auch an zwei Libretti für den – ebenfalls offen schwul lebenden – deutschen Komponisten Hans Werner Henze: der Oper Elegie für junge Liebende (1961), letztes Jahr im Theater an der Wien zu sehen, und der Oper Die Bassardien (1966), die erst heuer bei den Salzburger Festspielen mit großem Erfolg wieder aufgeführt wurde.
Audens Haus ist heute ein liebevoll gestaltetes kleines Museum, das an den auch in Kirchstetten begrabenen Dichter erinnert. (Siehe den QWIEN-Bericht über die Eröffnung 2015) Neben dem Gedichtzyklus bringt die aktuelle Publikation auch einige Aufsätze und Beiträge zu Auden in Kirchstetten und führt in seine von Zeitgenossen oft als konservativ kritisierte Gedankenwelt ein. Im Zentrum des Abends in der Buchhandlung Löwenherz steht aber ein Aufsatz über „Audens offenes Geheimnis“ von Andreas Brunner, der sich seit seiner Jugend immer wieder mit Auden beschäftigt hat. Wie lebte ein schwules Paar in den 1960er-Jahren in einer kleinen, ländlichen Gemeinde wie Kirchstetten? Was hatte es mit dem Stricher Hugerl auf sich, den Auden in posthum veröffentlichten Gedichten besang? In welchen Szenelokalen hatten die beiden Männer verkehrt, wenn sie in Wien waren? Und warum widmete Auden in seinem Gedichtzyklus Thanksgiving für ein Habitat seinem Partner das Wohnzimmer und seinem schwulen Freund Christopher Isherwood ausgerechnet das Klo?
Diese und sich vielleicht auch im Publikum stellende Fragen werden der Herausgeber Helmut Neundlinger und Andreas Brunner versuchen zu beantworten. Am 1. Oktober ab 19.30 Uhr in der Buchhandlung Löwenherz, Berggasse 8 (Eingang Wasagasse), 1090 Wien.
Helmut Neundlinger (Hg.): Thanksgiving für ein Habitat. Übersetzt von Uljana Wolft, mit Fotografien von Carmen Osowski. St. Pölten: Literaturedition Niederösterreich 2018 (erhältlich bei Löwenherz)