Das Filmarchiv Austria widmet dem Schauspieler Adolf Wohlbrück eine umfassende Retrospektive und eine Publikation spürt dem Leben und seinem beeindruckenden filmischen Werk nach. Andreas Brunner hat das Buch gelesen und freut sich auf die Filme.
Er galt als schönster Mann des deutschen Films, war in seiner Paraderolle des eleganten Charmeurs ein Schwarm der Damen- wie der Herrenwelt, auch wenn er seine Homosexualität bedeckt hielt. Unvergleichlich wie er in Willi Forst Filmhit Maskerade mit Schmelz und Ironie in der Stimme die naiv-unbedarfte Paula Wessely mit der Frage „Sacherkonfekt?“ begrüßt und diese darüber die Fassung verliert. Schon in Viktor und Viktoria konnte er ein Jahr vor Maskerade sein Talent für leise komödiantische Töne unter Beweis stellen.
In Wien als Sohn eines Zirkusclowns geboren zog er schon als Gymnasiast nach Berlin und nahm dort später Schauspielunterricht bei Max Reinhardt. Nach einer Zeit in französischer Kriegsgefangenschaft spielte er in den Jahren nach dem 1. Weltkrieg zunächst Theater in München und Berlin und erste Rollen in Stummfilmen. Mit den beiden bereits erwähnten Tonfilmklassikern gelangt ihm der Durchbruch, gleichzeitig bedeuteten sie eine Rollenfestlegung auf den eleganten Gentleman, die Wohlbrück nur schwer durchbrechen konnte.
Als „Halbjude“ und Homosexueller aber vor allem als entschiedener politischer Gegner der Nationalsozialisten verließ er Deutschland 1936 und ging über Frankreich zunächst nach Hollywood, wo er aber nach einem filmischen Misserfolg nicht Fuß fassen konnte. In England fand er eine neue Heimat und änderte seinen Namen von Adolf Wohlbrück auf Anton Walbrook (Anton, weil er nicht heißen wollte die Hitler). Im Regieduo Michael Powell-Emeric Pressburger fand er Partner, mit denen er drei Meisterwerke drehen konnte. In 49th Parallel (1941) spielt es das Oberhaupt einer deutschstämmigen Hutterer-Gemeinschaft in Kanada, bei der Nazi-Offiziere Unterschlupf suchen. Ihre fanatische Verehrung für Adolf Hitler wird er kühl mit „Our Germany is dead“ quittieren.
Im epischen Antikriegsfilm The Life and Death of Colonel Blimp (1943) spielt er erneut einen Deutschen, einen preußischen Offizier aus dem 1. Weltkrieg, der als Nazi-Gegner nach England flieht. In einer aufwühlenden Rede, die – und das spürt man förmlich – Walbrook aus der Seele sprach, ruft er seinen Freund aus alten Tagen Blimp als hochrangiger britischer General zu entschiedenem Widerstand gegen die Nazis auf. Heute gilt Colonel Blimp als einer der bedeutendsten Anti-Kriegs-Filme der Filmgeschichte in England rief er zur Entstehungszeit eine Kontroverse über Propaganda im Film hervor, in Deutschland war der Film erst 1980 in einer für das ZDF von 143 Minuten auf 93 Minuten gekürzten Synchronfassung zu sehen.
Noch einmal sollte Walbrook mit Powell-Pressburger zusammenarbeiten. Im Ballettfilm The Red Shoes (1948), einem Technicolor-Wunderwerk, verkörpert er einen skrupellosen wie charmanten und weltgewandten Impressario, der sein „Produkt“, die junge Tänzerin Viktoria (gespielt von Moira Shearer) nicht freigeben will. Bis heute können vor allem die Ballettszenen durch ihre dynamische und farbintensive Bildsprache zu begeistern.
In den 1950er-Jahren waren es zwei Filme mit dem französischen Regisseur Max Ophüls, die bis heute zum Kanon der Filmgeschichte gehören. In La Ronde (Der Reigen) von 1950, einer Verfilmung von Arthus Schnitzlers gleichnamigen Theaterstücke mit Starbesetzung (Simone Signoret, Jean-Louis Barrault, Gérard Philipe, Danielle Darrieux), verkörpert er einen von Ophüls eingeführten Erzähler, der durch die um ein Ringelspiel kreisenden Handlung führt und die einzelnen sexuellen Begegnungen miteinander verbindet. Als bayrischer König Ludwig I. kann der in Lola Montez (1955) noch einmal seinen ganzen Charme aber auch seine fragile Männlichkeit ausspielen.
In den 1950er-Jahren engagierte der Schauspieler und Theaterdirektor Gustaf Gründgens Walbrook, der 1947 britischer Staatsbürger geworden war, an sein Theater nach Düsseldorf, wo er an seine Theaterkarriere aus dem 1920er-Jahren anschloss. Ein bis zwei Stücke spielte er pro Spielzeit, denn sein Lebensmittelpunkt blieb London, wo er mit seinem Partner Eugene Edwards seit Mitte der 1940er-Jahre zurückgezogen lebte. Sein „Jimmy“ genannter Freud hatte mit dem Theater oder mit Film nichts zu tun, Wohlbrück wollte Berufliches und Privates strikt trennen, vielmehr hatte er ihm ein Blumengeschäft gekauft.
Wohlbrück, der 1967 auf der Bühne in München zusammenbrach und kurz darauf starb, hatte Jimmy zu seinem Alleinerben gemacht, aber schon zwei Jahre nach dessen Tod erlag Jimmy den Verletzungen eines Sturzes, die er sich infolge seines Alkoholkonsums zugezogen hatte. Jimmys Erben vernichteten alle persönlichen Dokumente, die auf die auf die homosexuelle Beziehung des Paares hingewiesen hätten.
Die wenigen Informationen zu seiner Homosexualität sind in der einzigen Publikation über Adolf/Anton Wohlbrück/Walbrook zusammengefasst, die 2020 in der Wiener Edition Synema erschienen ist. Schauspieler, Gentleman, Emigrant heißt sie im Untertitel und gibt in kurzen, prägnanten Aufsätzen Auskunft zu den wichtigsten Karriereschritten des Wiener Film-Beaus, der in Deutschland, Großbritannien und Frankreich Karriere machte und doch immer Wiener blieb, dessen Wiener Schmelz in der Stimme auch in seinen englischen und französischen Filmen bewundert und immer wieder betont wurde.
Das Österreichische Filmarchiv zeigt bis die wichtigsten Filme von Wohlbrück/Walbrook. Zum Programm geht es hier.
Frederik Lang/Brigitte Mayr/Michael Omasta: Wohlbrück & Walbrook. Schauspieler, Gentleman, Emigrant. Wien: Edition Synema 2020, erhältlich bei Löwenherz
Ein italienischer Fan hat ein sehenswertes Porträt in Fotos zusammengestellt.