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Wolfgang Reder – Geschichten aus einem bewegten Leben, künstlerisch erforscht

Im Rahmen ihres dreijährigen künstlerischen Forschungsprojekt W/ri/gh/ting Archives through Artistic Research befassten sich die beiden forschenden Künstler*innen Guilherme Maggessi und Rafał Morusiewicz dieses Jahr mit dem Wiener Architekten, Künstler und Sammler Wolfgang Reder (1946-2017). Als Ausgangspunkt für ihre Arbeit diente der Nachlass Reders, der sich im Archiv von QWIEN befindet. Von da aus kamen die beiden in Kontakt mit verschiedenen Menschen, die Wolfgang Reder kannten.

Postpolitical Archive: Was ist da?

Begonnen hat alles damit, dass Guilherme Maggessi und Rafał Morusiewicz für ihr Forschungsprojekt bei QWIEN angefragt haben, was es vor Ort zu erforschen gebe. Maggessi und Morusiewicz arbeiten in ihrem Forschungsprojekt so, dass sie ihre Kooperationsinstitutionen erstmal fragen, woran sie arbeiten bzw. woran gearbeitet werden sollte oder was noch ansteht.
Tatsächlich kannten die beiden QWIEN bereits aus vorherigen Zusammenarbeiten: Gui Maggessi hatte am „Orient“-Projekt mitgearbeitet, Rafał Morusiewicz hatte einen Teil der VHS-Sammlung von QWIEN gesichtet und katalogisiert. Diese Beziehungen waren eine gute Grundlage für die bevorstehende Arbeit. Sie bekamen nun Einblicke in Teile des Archivs und wurden so mit dem Nachlass Reders bekannt gemacht. Sie begannen zunächst, sich einen Überblick zu verschaffen und folgten dann dorthin, wohin das Material sie führte. Sie fragen in ihrem methodologischen Projekt vielmehr nach dem „Wie“ als nach dem „Was“.

Wolfgang Reder war vielfältig tätig. In Polen hat er für den bekannten deutschen Journalisten und Volkskunstsammler Ludwig Zimmerer gearbeitet. Da er Architektur studiert hat, hat er später, als er zurück aus Polen nach Wien gezogen ist, unter anderem bei Hermann Czech gearbeitet. Seine künstlerische Tätigkeit fand mehr nebenbei statt, eher als Hobby, als als Lebensbeschäftigung. Darüber hinaus ist er in den 1990er Jahren ehrenamtlich beim Buddy Verein in der AIDS-Hilfe tätig gewesen.

Für die zwei forschenden Künstler*innen stellt Reders Leben eine spannende Perspektive auf verschiedene historischen Ereignisse dar: Der geborene Wiener lebte zwischen 1971 und 1986 in Polen, einem Land unter dem kommunistischen Regime, aus dem er wegen seiner Sexualität und politischen Einstellung vertrieben wurde. Noch in Polen, aber dann auch später in Wien erlebte er auch die HIV-Pandemie. Um die Jahrhundertwende sieht er die erste blau-schwarze Regierung in Österreich, wie auch die Gründung des Liberalen Forums, nur um einige Punkten in der Geschichte zu erwähnen.

Einblick in den Arbeitsprozess

Wie kann mit einem Nachlass gearbeitet werden?

Im Nachlass von Wolfgang Reder, der im Archiv von QWIEN aufbewahrt wird, befinden sich Collagen aus Akt-Zeichnungen (siehe Fundstück des Monats Juni) oder aus ausgeschnittenen Akt-Fotografien, teils kombiniert mit Fotos aus Reders privatem Umfeld, aber auch ganze Ordner, sorgfältig kuratiert, mit zahlreichen Fotos von Akt-Models, die er den Namen nach alphabetisch sortiert hatte. Warum er diese Ordner kuratiert hat, ist nicht bekannt.

Maggessi und Morusiewicz haben es sich zur Aufgabe gemacht, ebendiese Ordner zu digitalisieren. Dafür haben sie sich gegen die vermeintlich naheliegendste Methode des Scannens entschieden und stattdessen alle Ordner, Seite für Seite, gefilmt. Jede Seite wird für die exakt gleiche Anzahl an Sekunden gezeigt.

Anschließend an die filmische Arbeit starteten die beiden forschenden Künstler*innen ein Oral History Projekt und sprachen mit Freunden, Bekannten und Familie von Wolfgang Reder. So konnten sie überhaupt erst mehr erfahren über den Menschen, der hinter den säuberlich kuratierten Ordnern und den bemerkenswerten Collagen steckt. Mit jeder Person, mit der sie sprechen, eröffnen sich neue Perspektiven und Einblicke in Wolfgangs Beziehungsgeflechte und sein Leben, so erzählt Maggessi. Aus diesen vielen kleinen Geschichten, zusammen mit den gefilmten Ordnern, soll ein Kurzfilm entstehen. Kein Biopic im klassischen Sinne, mehr ein Aufzeigen von dem, was eben schon da ist.

Wir freuen uns, dass die beiden Künstler*innen QWIEN als einen Ort für ihre Forschung ausgewählt haben und sind gespannt auf die weiteren Schritte und Ergebnisse aus der Zusammenarbeit.

Mehr über das Projekt

Die Artistic Research bei QWIEN ist Teil einer dreijährigen künstlerischen Forschung. Im ersten Jahr waren Guilherme Maggessi und Rafał Morusiewicz beim queerAnarchive in Split, im zweiten Jahr (aktuell) bei QWIEN, im dritten Jahr erwartet sie eine Zusammenarbeit mit dem Volkskundemuseum. Bei allen drei Partnerinstitutionen wollen sie an den Orten der Forschung etwas hinterlassen. Für QWIEN bedeutet das konkret, dass sie die Ordner, die sie aus Redners Nachlass gefilmt haben, sowohl digitalisiert als Video, als auch als PDF dem QWIEN Archiv überlassen, sowie auch die Tonaufnahmen, die im Zuge ihres Oral History Projekts entstanden sind.

Mehr Infos über die Artistic Research gibt es auf der Website zu lesen: https://wrighting-archives.com/

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