The Queer Arab Glossary

Homo- und Transphobie werden in öffentlichen Debatten, die stark von rechten Medien, Politik und rassistischen Diskursen geprägt sind, häufig als „importiertes Problem“ aus muslimisch geprägten Ländern dargestellt. Dabei geht es nicht um den Schutz queerer Menschen, sondern darum, gezielt gegen Migrant*innen und andere rassifizierte Personen zu hetzen. Österreichs eigene Geschichte der systematischen Verfolgung, Diskriminierung und Ermordung von queeren Menschen wird dabei ausgeblendet. Diese Geschichte wird bei uns im „Qwien – Zentrum für queere Geschichte“ erforscht und vermittelt. Doch österreichische Queerfeindlichkeit ist nicht nur historisch relevant, sondern reicht angefeuert vom gegenwärtigen Rechtsruck bis in die Gegenwart und ungewisse Zukunft.

Queeres Leben existiert jedoch überall – trotz aller Widerstände. Es folgt nicht immer westlichen, weißen Vorstellungen davon, wie es auszusehen hat. Vielmehr erzählt es eigene Geschichten in vielfältigen Mundarten und Ausdrucksformen.

Foto: Eddie van Gemmern

Ein beeindruckendes Zeugnis dieser Vielfalt liefert „The Queer Arab Glossary“ von Marwan Kaabour. Das zweisprachige Glossar (Englisch/Arabisch), das an einer Stelle im Buch beschrieben wird als „book of shibboleths“, sammelt über 300 Begriffe und Ausdrücke, die innerhalb queerer arabischer Gemeinschaften verwendet werden. Es dokumentiert Sprache(n), Slangs und Bezeichnungen und ordnet sie in den zeitgeschichtlichen sozialen und politischen Kontext ein. Das Buch enthält Beiträge von arabischen Künstler*innen, Akademiker*innen und Aktivist*innen und beleuchtet durch Essays und Anekdoten die historischen und kulturellen Hintergründe der Begriffe. Es zeigt eindrucksvoll auf, wie Sprache als Mittel des Protests und der Selbstbehauptung dient und sich regional ähnelt und unterscheidet. Sprache ist inhärent queer, weil sie ständiger Veränderung unterliegt, ausfranst, sich widersetzt und auch das zu beschreiben schafft, was normativ nicht beschrieben werden soll. Mejdulene Bernard Shomali schreibt in ihrem Beitrag aber auch darüber, wie Queerness viele Ausdrucksformen kennt, die längst nicht alle in einem Glossar niederschreibbar sind, sondern sich in Körperpraktiken, Uneindeutigkeiten und Intimitäten erzählt und sich Benennbarkeit entzieht.

,,There is the pleasure of representation (…). And there is the pleasure of moving unmarked, the pleasure at refusing easy classification, In worlds ruled by binaries, by demands to exist within flat categories, the absence of language can feel like the absence of capture.“ (Mejdulene Bernard Shomali)

Foto: Eddie van Gemmern

Humorvoll und einfühlsam illustriert von Haitham Haddad zeigt das Buch die Vielfalt und Resilienz queerer arabischer Gemeinschaften auf. Es dient als kraftvolle Antwort auf weitverbreitete Mythen und Stereotype über Sexualität im arabischen Raum. Vor allem aber ist es ein linguistisches Nachschlagewerk und kulturelles Zeugnis, das die Präsenz und den Widerstand von LGBTQ+ Menschen innerhalb arabischer Kulturen feiert. „The Queer Arab Glossary“ ist ein wertvolles Werk, das nicht nur als Vokabularium dient, sondern auch einen wichtigen Beitrag zur Sichtbarkeit und Anerkennung queeren Lebens in arabischen Gemeinschaften leistet.

Marwan Kaabour (Hg.): The Queer Arab Glossary. London: Saqi Books 2024 (erhältlich bei Löwenherz)

Text: Eddie van Gemmern

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