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Howl: Visualisierte Poesie

Es ist viel von Jazz die Rede in „Howl“, dem neuen Film des Regieduos Epstein und Friedman, was man zu hören bekommt ist seichter Mainstreamjazz, der überhaupt nichts von einem „Geheul“ hat. Allen Ginsbergs Langgedicht „Howl“ (Geheul) schlug bei seiner Veröffentlichung 1955 in die literarische Welt Amerikas ein wie eine Bombe. Mit einer neuen, mit Slang angereicherten Sprache erzählte Ginsberg in impulsiven Versen von der Verlorenheit seiner Generation im Amerika des Aufbruchs nach dem 2. Weltkrieg. Der wirtschaftliche Aufstieg dieser Zeit ging mit einer strengen Verschärfung der Verfolgung Andersdenkender einher. Die Gegner des Koreakriegs wurden genauso argwöhnisch überwacht wie vermeintliche Kommunisten.

In diese klaustrophobische Welt platzt Ginsbergs Aufschrei, der auch sexuelle Praktiken beim Namen nennt, die der amerikanischen Öffentlichkeit vorenthalten werden sollen, wie Moralapostel meinten. Das ist der Ausgangspunkt von Epstein und Friedmans Biopic. Die vielfach preisgekrönten Regisseure der Dokumentarfilme „The Times of Harvey Milk“ über den schwulen Stadtrat von San Francisco, „The Celluloid Closet“ über schwule und lesbische Filme in Hollywood und „Paragraph 175“ über schwule Naziopfer.

„Howl“ ist ihr erster Spielfilm, oder vielleicht besser Spieldoku. Der Film wird auf drei Ebenen erzählt: Allen Ginsberg, großartig gespielt von James Franco, erzählt einem Interviewer die Entstehungsgeschichte von seines umstrittenen Gedichts, erzählt von einem schmerzvollen Coming Out aber auch erfüllter schwuler Liebe und Sex. Die andere Ebene berichtet etwas steif vom Gerichtsprozess, in der die Anklage gegen den Verleger von „Howl“ wegen Verbreitung obszöner Schriften verhandelt wurde. Eine Zeile hatte es den Moralaposteln besonders angetan: „die sich in den Arsch ficken ließen von heiligen Motorradfahrern und vor Freude schrien“. Das war zuviel für die amerikanische Moral der späten 1950er Jahre, man schrie nach Zensur.

Doch vergeblich, der Richter entschied für die Freiheit von Kunst und Verleger – „Howl“ wurde mit über einer Million Exemplaren zum wahrscheinlich meistverkauften Gedichtband der modernen Literatur. Es hätte ein witziger, von wunderbaren schauspielerischen Leistungen getragener Film über Moral, Zensur und schwules Selbstbewusstsein werden können, gäbe es da nicht noch die dritte Erzählebene des Films. Die Bebilderung von Allen Ginsberg Versen in einem Animationsfilm musste wohl scheitern. Während im Text von fickenden Matrosen, Motorradfahrern, Drogen und Underdogs die Rede ist, wachsen Mammutbäumen statt Baumkronen Eicheln, die Samen spritzen der sich zu leuchtenden Sonnen kringelt.

Das ärgerliche ist, dass ein Film über Zensur sich selbst zensuriert hat. Um den strengen Ratings amerikanischer Mainstreamkinos zu entsprechen, die zwar jedes Gemetzel zulassen, aber jede Andeutung von Sex als pornografisch bewerten und damit aus den großen Kinos verbannen, laufen komisch geschlechtslose Wesen durch die Animationsszenen, die der Botanik weit ferne Poesie wird in der Animation herzig aufgerüscht. Was bleibt ist ein zwiespältiger Kinogenuss. Schade um den wirklich guten Film über die Entstehung von „Howl“.

Mein Tipp: Hingehen und bei den Animationsszenen einfach die Augen zumachen. Hört man Ginsbergs Versen, entstehen sicher genug eigene Bilder vor Augen.

Howl (Geheul) Länge: 90 Min. OmU, 90 Minuten Regie und Drehbuch: Robert Epstein, Jeffrey Friedman Darsteller: James Franco, Todd Rotondi, Jon Prescott, Aaron Tveit, David Strathairn, Ab 18. März 2011 im Stadtkino Wien. (Dass man bezüglich der Animationen ganz anderer Meinung sein kann, zeigt Egbert Hörmann in der Berliner Siegessäule.) Ginsberg im Originalton; Info zu Ginsberg)

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