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Von kochenden Nilpferden

Burroughs, Kerouac, Ginsberg – die wichtigsten Künstler der kommenden Generation, die als Beat Generation in den 1950er Jahren die gesellschaftliche Verkrustung der westlichen Welt, ihre verlogene Sexualmoral und ihr materialistisches Denken anprangern wird, sind bereits befreundet. Zwei von ihnen – Burroughs und Kerouac eben – verarbeiten den Mord literarisch, denken aber offenbar zu Lebzeiten nicht an eine Veröffentlichung des kurzen Romans mit seinen starken biografischen Bezügen und kaum verschleierten Figuren. Erst 2008 erblickt der von den Fans der Beat Generation mythisch überhöhte und oft verschollen geglaubte Text das Licht der literarischen Öffentlichkeit. Und das zu recht. Zwar haben damals noch weder Burroughs noch Kerouac ihren eigenen literarischen Stil entwickelt, es gelingt ihnen aber, ein dichtes Genrebild einer Gruppe junger Männer und Frauen zu fassen, die im New York der frühen 1940er Jahre auch literarisch Fuss fassen wollen. Einerseits geben sie sich gelangweilt, besaufen sich und konsumieren Drogen, haben in unterschiedlichen Kombinationen Sex, andererseits streben sie bereits nach literarischer Selbstverwirklichung, auf der Suche nach ihrem unverwechselbaren Ton. Aus der Perspektive von zwei Figuren der Handlung, Will Dennison und Mike Ryko, erzählte das Autorenduo ihre Version der Geschichte von Carr und Kammerer, wobei Kerouac die Kapitel über Ryko schrieb und Burroughs die über Dennison schrieb. Ihnen gelingt es dabei, die Verflechtungen innerhalb der Gruppe, ihre emotionale Labilität, ihre Suche nach einem Platz in der Welt darzustellen. Und im Gegensatz zu biografischen Darstellungen, in denen Kammerer oft auf die klägliche Karikatur eines von einem jungen Mann besessenen älteren Schwulen reduziert wird, zeigen Burroughs und Keroauc auch ein anderes Bild des später nur wegen Totschlags verurteilten Kammerer als gedemütigte Existenz, die sich in einem gewalttätigen Befreiungsschlag von seinen Fesseln befreite.

Auch wenn And the Hippos Were Boiled in Their Tanks weder ein „echter“ Kerouac, noch ein „echter“ Burroughs ist, die Lektüre ist unterhaltsam und spannend. Durch die wechselnden Erzählperspektiven erhalten die Figuren Brüche, unterschiedliche Facetten, die auch verschiedene Deutungen ermöglichen. Eine lohnende literarische Entdeckung!
William S. Burroughs/Jack Kerouac Und die Nilpferde kochten in ihren Becken. Roman Übersetzt von Michael Kellner. Mit einem Nachwort von James W. Grauerholz Reinbek: Rowohlt Taschenbuch Verlag 2011

Erhältlich bei Buchhandlung Löwenherz

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