Wer ist Adrienn Kiss? eine visuelle Künstlerin. Hat 2008 an der Akademie der Bildenden Künste Wien in der Klasse von Prof. Gunter Damisch in Grafik & Malerei diplomiert. Arbeitet meistens mit dem Medium Zeichnung und Digitalfotografie, diesmal- bei der aktuellen Austellung in der Galerie Geyling -auch mit Glas und Licht. „Ich bin die beste Zeichnerin, die ich kenne; eine Perfektionistin und eine leidenschaftliche Effekthascherin.“
Was ist das Hauptanliegen deiner Kunst?
Selbstdarstellung. Ich versuche genauso meine Ideen und Gedanken zu kommunizieren wie alle anderen Künstler_innen. Meine Kunst ist aber sehr persönlich: die Motive finde ich in meinem engsten Umfeld. Sie kreisen um mich selbst und Menschen, die mich umgeben. Grundsätzlich bin ich von Emotionen geleitet. Ich visualisiere eine Interpretation von der Wirklichkeit durch die Verzerrung meiner Gefühle und daydreams sind manchmal auch herzlich wilkommen.
Und bezüglich der Bedeutung: Ich denke, dass Kunst noch immer so funktionieren sollte, wie damals als die meisten Leute noch nicht lesen konnten, und Künstler_innen die wichtigen Dinge so darstellen mussten, dass sie eine Ahnung kriegten; wie z.B. religiöse Darstellungen oder illustrierte Bücher der Geschichte.
Mein Arbeitsmotto lautet: “the right to create, without appology, from a stance beyond gender or social definition, but not beyond the responsibility to create something of worth” (Patti Smith)
Derzeit ist in der Galerie Geyling eine Installation von dir zu sehen, worum geht es da? In der Galerie Geyling sind derzeit die ersten Arbeiten von mir mit Glas zu sehen. Der Ausgangspunkt war eine frühere große Buntstiftzeichnung aus 2010 mit dem Titel „Happened to fade“, die die Vergänglichkeit und verlorene Liebe zum Thema macht. Als Gegenstück dazu habe ich ein Glasbild mit dem Titel „Not fade away“ geschaffen: zum Teil realistisch, aber meist gotisiert. In meinen Zeichnungen habe ich keine Konturlinien, dafür ineinanderfließende Farben und einen starken Realismus. Die Glasmalerei ist das komplette Gegenteil von meiner bisherigen Arbeit. Die zwei Arbeiten sind gegenüber von einander ausgestellt. Der Titel dieser Ausstellung “There is a light that never goes out” ist zugleich der Titel meiner Installation. Was steht technisch gesehen zwischen der Zeichnung und dem Glasbild? Es ist eine Lichtprojektion mit Glas, welche einen Farbkreis oder –ring zeigt, dessen Zentrum weiß ist.
Er erinnert an den Farbkreis aus Goethes Farbenlehre und auch an die Farben der Regenbogenfahne. Die Installation beschäftigt sich jedoch nicht oberflächlich mit dem Phänomen Licht und Farbe, sondern lädt zu Assoziationen ein. Für mich müsste es also ein Licht sein, das nie endet… Die ganze Ausstellung hat einen transzendenten Charakter. Sie beschäftigt sich mit Vergänglichkeit, Kontinuität und Ewigkeit, wobei Religion und auch Queeridentität einen Platz hat. Es ist ein gedankliches Spiel mit Licht und Dunkel, Gott und Teufel – Letzteres mit einem humorvollen Augenzwinkern. Du bist in Ungarn aufgewachsen und arbeitest dort auch immer wieder. Wie beeinflusst dich die politische Situation von ungarischen LGBTI? Es ist logisch, dass die Situation mein Leben und dadurch meine Arbeit beeinflusst. Ich mag meine Heimat. Deswegen ist es auch angenehm in Wien zu leben, da ich nicht weit weg von Ungarn bin. Ich fühle mich aber nicht wirklich wohl zu Hause. Mich stören die „Scheuklappen-Attitüden“ der Menschen, das riesige Unwissen über das Thema und die Widerwilligkeit darüber zu lernen. Es hat natürlich viel mit der Regierung zu tun, die immer wichtigere Probleme hat als civil rights. Das ganze macht mich wütend und inspiriert mich gleichzeitig; deswegen möchte ich mich stärker innerhalb der LGBTI-Bewegung positionieren. In Ungarn es gibt nämlich keine Stimme aus dem Kunstbereich in dem Diskurs von LGBTI Problemen. My time has arrived!
Wie wirken sich die politischen Umstände auf deine Kunst aus? Je älter ich werde, desto mehr beschäftige ich mich mit Politik – das ist wahrscheinlich ein Zeichen vom Erwachsensein. Früher – als ich noch ein„Grünhorn“ war – habe ich generell wenig von Theorie und besonders von den zeitgenössichen post-feministischen Strategien gehalten. Ich fand sie damals zu populär und damit zu übertrieben. Ich wollte einfach „instinct-driven“ bleiben und zeichnete was mir gefallen hat ohne mich auf besondere Ideologien zu beziehen. Aber durch meine Lebenserfahrungen bin ich draufkommen, dass die Gesellschaft – wie schon am Anfang gesagt – etwas mehr von Künstler_innen erwartet. Mein erstes politisches Bild ist aus 2005, ich habe es für das erste Jubiläum der EU-Mitgliedschaft Ungarns gemacht. Es geht um Popkultur und Konstruktionen von Identität, wie auch Nationalität.
Planst du neue Projekte und Ausstellungen? Ja, sicher. Ohne Pläne geht es nicht weiterzuarbeiten, da ich sehr organisiert und systematisch bin! Ich arbeite gerade an einem Konzept um Genderidentität. Es heisst „Fiuvagylany vagy?“ Es ist stark von meinen letzten Erlebnissen in Ungarn inspiriert, da manche Leute mich auf der Strasse einfach gefragt haben: „Bist du ein Mann oder eine Frau?“ Der ungarische Titel ist gleichzeitig ein Wortspiel, da das Wort „vagy“ auch „du bist“ und „oder“ auf Ungarisch bedeutet. (Es ist eine lustige Sprache.) Ich möchte dieses Projekt natürlich gerne in Ungarn zeigen, muss aberdafür noch dafür Ausstellungslobbying betreiben.
Danke für das Interview!
Nähere Infos zur Künstlerin* unter www.adriennkiss.com
Die Ausstellung „There is a light that never goes out“ in der Galerie Geyling läuft noch bis 24.5.2012!