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Stonewall in Wien – die 1980er: Waltraud Riegler

Was war für dich, als du Ende der 70er Jahre nach Wien gekommen bist die Motivation, dich der kleinen Frauengruppe in der HOSI anzuschließen und nicht den lesbischen Teilen der Frauenbewegung?
Als ich 1979 aus dem Burgenland nach Wien kam, hab ich angefangen zu studieren und war aber sehr unzufrieden mit mir. Ich hab’ dann Kontakte geknüpft zu literarischen Frauengruppen. Im Falter
hab ich dann das Inserat gelesen, dass es eine Lesbengruppe gibt und bin dann mit klopfendem Herzen in die Novaragasse gefahren. Dort hab ich angeläutet und war dann sehr erstaunt darüber, dass in dieser Frauengruppe ganz normale Frauen gesessen sind, weil mein Bild, das ich so in den 70er Jahren mitgekriegt hatte, war dass Lesben kriminelle Frauen waren – so wie die wilde Wanda. Die wilde Wanda war eine bekannte lesbische Frau, die eine Menge Frauenbeziehungen gehabt hat und ihre Freundinnen angeblich auch auf den Strich geschickt hat, wilde Schlägereien provoziert hat und mit dem Gesetz in ständigem Konflikt war. Ich war dann lange in der HOSI-Lesbengruppe aktiv und bin Mitte der 80er Jahre zur Lesbendelegierten gewählt worden. Da hab’ ich erst begonnen, in die politische Arbeit hineinzuwachsen.
Wo du dann auch mit den HOSI-Männern zusammengearbeitet hast.
Für mich war von Anfang an klar, dass Lesben und Schwule etwas gemeinsam haben. Und dass es sinnvoll ist, gemeinsam gegen Diskriminierung anzukämpfen, gemeinsam zu marschieren und gemeinsam unsere Anliegen nach außen zu vertreten. Aber gleichzeitig war mir auch klar, dass die lesbischen Frauen ein eigenes Platzerl, eigene Räumlichkeiten und eigene Treffen brauchten – und das hat es in der Novaragasse gegeben. Das war zur damaligen Zeit ein bisschen unüblich: Die lesbischen Frauen waren sehr feministisch und autonom engagiert und haben für sich gekämpft. Für mich war der Weg aber nicht optimal, ich fand, wir müssen gemeinsam kämpfen. Und, vor allem, wir müssen auch die Lesben innerhalb der Homosexuellenbewegung sichtbar machen.
Anfang der 90er Jahre bist du zur ersten Obfrau der HOSI Wien gewählt worden.
In Österreich ist etwas ganz Spezielles passiert im Gegensatz zu Deutschland, wo Lesben und Schwule separat für ihre Anliegen gekämpft haben. Hier ist man zusammen marschiert und ich denke, dass das hilfreich war. Auch für die lesbischen Frauen, dass Männer ihre Anliegen mittransportiert haben.
Du hast dann das Thema NS-Verfolgung sehr stark in die Bewegung getragen und Lesben und Schwule über diese Vergangenheit informiert.
Eine wesentliche Arbeit in den 1980er Jahren war der Kampf gegen die bestehenden Strafrechtsparagrafen. Was noch dazu kam, waren nicht nur diese Bestimmungen, sondern auch der Wunsch, dass schwule KZ-Opfer in das Opferfürsorgegesetz ausgenommen werden. Mir war es immer ein großes Anliegen, auf diese Zeit hinzuweisen. Wir sind dann immer auch zu den Befreiungsfeiern nach Mauthausen gefahren – da gibt’s ja den Gedenkstein für die homosexuellen Opfer, und mussten dort immer wieder furchtbare Aussagen über uns ergehen lassen. Ein KZ-Überlebender sagte uns dort den Satz „Abartigkeit hat kein Recht auf Wiedergutmachung!“. Durch diese Erlebnisse habe ich gemerkt, man muss wesentlich mehr machen und wesentlich mehr Aufklärung betreiben. Es ist in der Lesben- und Schwulenbewegung leider so, dass vieles aus der Geschichte nicht bekannt ist. Aber ich finde es für unsere Identität so wichtig zu wissen, wie es Lesben und Schwulen im 19. Jahrhundert ergangen ist, wie es ihnen Mitte des 20. Jahrhunderts ergangen ist, was es bedeutet hat, als Lesbe oder als Schwuler zu leben. Das hat bedeutet, im Untergrund zu sein, in ein KZ zu kommen – das konnte dazu führen, dass man umgebracht wurde. Dass man vieles verschweigen musste, dass man sich nie dazu bekennen konnte – und das finde ich auch sehr wichtig für junge Lesben und Schwule, sich dessen bewusst zu werden. Dass sozusagen dieses Leben, das sie jetzt führen können, mit den vielen Lokalen, mit der tollen Infrastruktur, mit Filmen, die Homosexualität nicht verschweigen,
sondern zum Thema machen und Medien, die über Lesben und Schwule berichten: Dass das nicht vom Himmel gefallen ist, sondern sich aus der Geschichte entwickelt hat. Vom Totschweigen über den aufrechten Gang bis zur eigenen Sichtbarmachung.

Alle Interviews von „Stonewall in Wien“: http://www.qwien.at/stonewall-in-wien/

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