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Stonewall in Wien – die 1990er: Nadja B. Schefzig

Wann hast du zum ersten Mal von Stonewall gehört?
Ich erinnere mich nicht an den konkreten Moment, ich kann nur schätzen, wann das gewesen sein könnte: so Mitte der neunziger Jahre.
Wann bist du selber in die Szene gekommen?
Bisschen früher, so 1992 war das. Ich hab das damals noch nicht als Coming-out betrachtet, doch im Herbst drauf hab ich mich dann total verliebt. Das erste Lokal, in dem ich 1992 war, war die Villa. Da waren auf den Tischen so Ständer mit Flyern und in denen ging’s um Safer Sex für Lesben, eine Veranstaltung der HOSI. Wir haben dann so gescherzt, wie geht denn das, haben uns das so vorgestellt und haben spaßeshalber gesagt: „Mit Handschuhen vielleicht?“ Also gehen wir zur HOSI, und die HOSI ist voll mit Frauen – und die Handschuhe sind schon rausgezogen worden. Wir  waren irgendwie zwischen überrascht, schockiert und interessiert. Das blieb für die 90er Jahre mein Gefühl: Das war so eine sexy Zeit, eine sexuelle Zeit und auch eine sexualisierte Zeit. Deshalb sind wir hier auch am Spielplatz, wir waren damals verspielt. Für den Sex war’s gut, für die Liebe nicht immer so gut, und für die Beziehungen war’s schwierig.
Du warst ja zu Zeiten des „queer turn“ an der Universität, wie hat sich das abgespielt?
Der „queer turn“ war natürlich sehr verbunden mit Judith Butler, zu der ich aus meinem Fach, der Philosophie heraus, einen guten Zugang hatte. Ich hatte jedenfalls das Gefühl, dass ihr Begriff „queer“ genau trifft, wie ich mich befinde, was ich spüre, was mich interessiert, was in mei-nem ganz persönlichen Leben abgeht. Die beschreibt das, was ich bin: Eine Identität, die keine ist, was ich auf mich total anwenden konnte. Für mich war klar, ich bin keine Lesbe, für mich war eigentlich auch nie verständlich, was eine Frau ist. Ich hab’s halt benützt, weil es die Gesellschaft benützt hat, aber ich wusste nie genau, was das heißen soll. Ich hab dann auch meine männlichen Anteile ausprobiert und bin in meiner Arbeit neben dem Studium viel Lastwagen gefahren und hab auf Baustellen in ganz männlichen Zusammenhängen gearbeitet. Für mich war klar, was die Liebe angeht und den Sex: Ich find’ den Menschen interessant und anziehend und attraktiv. Und ob es nun eine Frau oder ein Mann ist: Nicht, dass es mir egal ist, aber ich war für beides offen. Und es war auch so was Widerständiges in mir, das sich nicht einordnen lassen wollte. In den 90ern ist in Österreich auch die Transgender-Bewegung zur Lesben- und Schwulenbewegung gestoßen und man hat sich gegenseitig vorsichtig vereinnahmt. Transgenders selber hatten aber oft große Schwierigkeiten mit der Akzeptanz durch Lesben.
Wie hat sich das aus der doch privilegierten queeren Perspektive der Universität dargestellt?
Es gab viele Diskussionen um „women-only“-places, was aus meiner Sicht an einer bestimmten Stelle der Geschichte durchaus Sinn gemacht hat und für manche aus ihrer Geschichte heraus noch immer Sinn macht. Die Gemüter haben sich bis zum Geht-nicht-mehr erhitzt darüber, ob eine Transgender-Frau nun solche Orte betreten darf oder nicht. Meine Perspektive war ein  antidiskriminierender Ansatz, ein emanzipatorischer. Ich dachte mir, wenn wir das nun ernst nehmen wollen, dass nicht unsere Biologie unser Geschlecht konstruiert, sondern dass es sozial konstruiert ist, dann muss ich das ernst nehmen, wenn da ein Mensch steht, der als Mann geboren wurde und sagt, „Ich lebe jetzt gesellschaftlich als Frau. Ich möchte rein.“ Dann sag’ ich: „Komm rein!“ Und das blieb mir so: Das was jemand sein möchte, das gilt für mich.
Hast du eine Erinnerung an die erste Regenbogenparade?
Die erste war 1996, und das war für mich so umwerfend, Gänsehaut allüberall. Es hat mich so berührt, so bewegt – ich krieg bis heute Gänsehaut, wenn ich drüber spreche – so toll. Ich hatte das auch noch in keinem anderen Land vorher erlebt, das war überhaupt meine erste Parade. Die zweite war noch schön, und dann war ich manchmal dort oder manchmal auch nicht. Und jetzt ist das Jahr 2009, und ich geh’ wahrscheinlich nicht zur Regenbogenparade, außer ich komm’ zufällig vorbei. Für mich persönlich ist das nicht mehr so interessant oder so wichtig, das ist die Wahrheit und schon länger so. Ich kann jetzt nicht sagen, ist das eine gesellschaftliche Entwicklung oder eine persönliche von mir.

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