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Stonewall in Wien – die 2000er: Katharina Miko

Was hat sich seit dem Aufkommen von „queer“ in der Geschlechterlandschaft verändert?
Es gibt nicht nur mehr eine Geschlechterlandschaft, es gibt Geschlechterlandschaften. Und ich kann das ganz gut verdeutlichen, damit wo ich eingestiegen bin. Das war 1992, und da hatte man ganz
wenige Räume. Also es gab sozusagen das FZ und das Frauencafé. Und das waren reine Frauenräume, obwohl der Begriff „queer“ im akademischen Bereich bereits aufgetaucht ist. Das hat sich  geöffnet und hat in Wien zu unterschiedlichen neuen Szenen und Themen geführt. Queer families, Queer Business, und vieles mehr. „Queer“ wurde zu einer Kategorie, die weit über les-bi-schwul hinausgeht und die vor allem mainstreamig geworden ist. Was viele auch kritisieren: Das heißt, auch dort, wo man nicht genau weiß, wollen die jetzt Geschlechteridentitäten zerbrechen oder  brauchen sie nur ein trendiges Label? Also wollen sie sich darüber Gedanken machen, was Mann oder Frau ist, wo also nicht nur „gender“, sondern auch „sex“ dekonstruiert wird oder geht es um den Verkauf eines Inhalts.Das ist eine tatsächliche Entwicklung der 2000er Jahre, dass der „queer“-Begriff kommerzialisiert wird und im Mainstream ist. Als Soziologin finde ich es spannend, dass unterschiedliche Sub-Gruppen sich diesen Begriff genommen haben und ein Label drauf gemacht haben. Ich finde diese Entwicklung nicht nur negativ.
Was ist denn der Unterschied zum Lesben-& Schwulenmodell?
Lesben und Schwule sind sexuelle Identitäten, ganz klar biologische Identitäten und klassische „Wie lebe ich Sexualität?“-Identitäten. Also man weiß, ein Mann ist ein Mann, oder eine Frau ist eine Frau. Und sie liebt und lebt mit Frauen und er liebt und lebt mit Männern. „Queer“ bedeutet aus meiner Sicht, Identitäten radikal zu hinterfragen. Hier geht es also um die Frage, ob es Homosexualität überhaupt gibt bzw. ob es nur zwei Geschlechter gibt? Die Kategorie Homosexualität wird selbst brüchig. Die eigene sexuelle Identität wird insgesamt hinterfragt. Provokant gesagt: Da ja überhaupt nicht klar ist, ob er oder sie Mann oder Frau ist und auch nicht klar ist, mit wem er oder sie im Bett liegt und ob die oder der Mann oder Frau ist, werden diese Kategorien brüchig. Damit wurde für mich als Familiensoziologin auch die Kategorie der „Regenbogen“-Familie fragwürdig: Denn man lebt in einer Phase seines Lebens schwul/lesbisch oder heterosexuell, kann dorthin oder wieder zurück. Wenngleich ich persönlich die Rechte von lesbischwulen Familien ganz wichtig finde, sind auch da diese Identitäten brüchig geworden.
Welche Zentren der „Queerness“ würdest du denn in Wien ausmachen?
Die Partyszenen und Musikszenen, dann gibt es queere wirtschaftliche Bewegungen wie die Queer Business Women, die Uni-Szene, auch der Life Ball, der Diversity Ball und queere Sportveranstaltungen. Es sind Szenen geworden, die in gewisser Hinsicht bei „lesbischwul“ bleiben, aber trotzdem darüber hinausgehen.
Hat sich dadurch das Verhältnis von Frauen zu Männern in den verschiedenen Szenen verändert?
Sofern ich diese Frage beantworte unter der Prämisse, es gäbe die Kategorien Mann und Frau, sage ich, dass es sich sehr verändert hat. Als ich 1992 gestartet habe, in die Szene zu gehen, gab es „Women only“-Feste. Das hat sich dann verändert in Richtung „Women only with gay friends“ und wurde zu „queer“. Meiner Ansicht nach ist das Verhältnis insofern verändert, als es weniger hier diese männlichen und hier diese weibliche Szenen gibt, sondern ein „Wir“ in einer „queeren“ Szene. Daneben gibt es aber natürlich nach wie vor die Männer- und die Frauenräume, die realpolitisch großen Einfluss haben.
Zum Schluss eine Ranking-Frage: was sind für dich seit 2000 die fünf queersten Räume in Wien?
Das Marea Alta, nach wie vor die Rosa Lila Villa, dann ist es für mich der ganze Dunstkreis FM queer, sicher die Quote-Abende und dann – war es für mich sicher auch mein langjähriger Arbeitsplatz wienweb, das ist für mich einer der queersten Arbeitgeber, den’s gibt. Als sechsten Ort nenne ich noch den sozialwissenschaftliche Bereich. Im Uni-Bereich ist es auch – also jetzt im Unterschied, wenn man irgendwo als Verkäuferin arbeitet – relativ einfach queer zu sein.

Alle Interviews von „Stonewall in Wien“: http://www.qwien.at/stonewall-in-wien/

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