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Stonewall in Wien – die 2000er: S. Rotter, M. Damm

Siehst du dich als Teil der Emanzipationsgeschichte der lesbisch-schwulen Community?
Sabrina Rotter: Teilweise sehe ich mich schon als Teil dieser Emanzipationsgeschichte, weil das Leben heute so nicht möglich wäre, wenn es diese Geschichte nicht geben würde.
Marc Damm: Ich bin nicht auf der Regenbogenparade aus Protest, aber ich bin dort, weil ich keine Angst habe, weil ich gerne auftreten will als das, was ich bin. Und sehe ich mich in der Emanzipationsgeschichte? Ich würde sagen Nein. Dazu bin ich vielleicht zu individuell. Ich bin nicht das, wofür die Emanzipationsgeschichte steht.
Wenn in unserem Fall von einer Emanzipationsgeschichte gesprochen wird, meinen wir damit die Emanzipation von Lesben, Schwulen, Bisexuellen und Transgendern. Wie stehst du dazu?
SR: Schrecklich kleinkariert finde ich das. Man sollte Menschen nicht prinzipiell per Geschlecht definieren, sondern andere Dinge finden, die sie ausmachen, egal welche sexuellen Einstellungen sie haben. Ich für mich fühle mich definitionslos, denn das tun eh die anderen für mich, mich schubladisieren und Definitionen für mich erfinden. Wenn man mutig ist, kann man ja rausfinden, ob es wahr ist, was man sich denkt.
Wo würdest du die Emanzipationsgeschichte gerne hin entwickeln?
SR: Ich würde die Emanzipationsgeschichte gerne dorthin entwickeln, dass es vollkommen egal ist, wie ich mich selbst definiere – ob als bisexuell oder homosexuell oder heterosexuell – dass einfach der Mensch zählt, und weder das Geschlecht noch die Orientierung.
MD: Ich würde gerne die Situation herbeischaffen, oder dabei mitgestalten, dass sich niemand verstecken muss. Ich gehöre zu den Jugendlichen, die sich vom Internet entjungfern haben lassen und
das soll’s nicht sein, dieses Versteckspiel soll aufhören. Das nervt mich und betrifft mich auch persönlich. Mehr Outgoing und mehr Offensein wäre das, was ich mir wünschen würde.
Hattest du dein Coming-out übers Internet?
MD: Ich habe mich nie geoutet. Ich finde, Outing ist heutzutage so ein Druck, dem ein Jugendlicher ausgesetzt wird; ich weiß nicht, ob das so notwendig ist. Ich will einfach, dass es zu einer Normalität wird und zu einer Normativität. Das Outing an sich ist heutzutage wirklich Zwang, ein unnötiger Stress, dem sich Jugendliche, zumeist auch Ältere, aussetzen müssen. Ich habe mich da nicht jahrelang bewegt, aber ich habe meine Zeit gehabt, da wurde ich mit Doppelmoral konfrontiert. Du wirst im Internet von 50-jährigen, 60-jährigen Männern angeschrieben, die ihre Frau bescheißen. Das kann’s nicht sein. Es kann nicht mehr dieses Versteckspiel geben, nicht mehr heute.
Was müsste denn geschehen?
MD: Ich könnte jetzt einfach mit “Reden” antworten, aber da wird es bisweilen auch bleiben. Einfach darüber reden, weiter darüber reden, Fragen stellen. Ich finde es wichtig, dass im Sexualunterricht diese Sache anklingt. Es ist eine Unverschämtheit, dass es verschwiegen wird. Ich habe mir das selbst erdichten müssen und habe jahrelang mit irgendwelchen Spekulationen gelebt. Bei mir hat sich sehr früh für mich herausgestellt, dass ich homosexuell bin. Das kann’s nicht sein, dass es verschwiegen wird. Das ist eine Gemeinheit an sich.
Braucht es denn die Regenbogenparade noch?
SR: Dazu möchte ich schon sagen, dass es sehr wohl momentan noch wichtig ist, ein Zeichen zu setzen, dass es das gibt. Meine Utopie von mir wäre, dass man das nicht mehr machen muss, weil es so normal ist. Weil die Menschen es nicht mehr wichtig finden, ob jemand schwul oder lesbisch ist. Die Gleichstellung von jedem Menschen in seiner Partnerschaft, wie immer er sich das wünscht, egal aus welcher Richtung er kommt oder welches Geschlecht er hat.

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