Über den Streit zwischen August von Platen, Karl Immermann und Heinrich Heine ist ein neues Buch erschienen. Eine Rezension von Hannes Sulzenbacher.
„Von den Früchten, die sie aus dem Gartenhain von Schiras stehlen, / Essen sie zu viel, die Armen, und vomieren dann Ghaselen“. Die Kontroverse zwischen den Schriftstellern Karl Leberecht Immermann und August von Platen begann nicht gerade mit einem Kompliment. Die iranische Stadt Schiras beherbergt die Mausoleen der berühmtesten persischen Dichter Hafis und Saadi, von ihnen „stahl“ Platen – laut Immermann – seine Inspiration und das Versmaß der Ghasele. Hintergrund für Immermanns Polemik war aber weniger ein Plagiatsvorwurf, sondern vielmehr eine schriftstellerische Debatte über Klassik und Romantik, über Formalismus und lyrische Inspiration am Beginn des 19. Jahrhunderts.
Nichts Aufregendes könnte man meinen. Mit Immermanns Kollegen Heinrich Heine schaltete sich jedoch ein weiterer Dichter ein, und die Affäre bekam größere Ausmaße. August Graf von Platen-Hallermünde wehrte sich: Er schrieb ein Lustspiel, Der romantische Ödipus, in dem er Immermann und seinen lyrischen Ton der authentischen Gefühlsaufwallung parodierte und – ganz nebenbei – auch Heine als „Synagogenstolz“ und „Petrark des Laubhüttenfestes“ attackierte. Mitten im Dichterkampf war ihm die judenfeindliche Waffe offenbar nicht zu schade.
Heine hatte sich, um seine beruflichen Chancen als Jurist im staatlichen Dienst zu sichern, protestantisch taufen lassen, so ließ auch sein Gegenangriff nicht lange auf sich warten. Immermann verspottete 1829 Platen mit einer „literarischen Tragödie“ mit dem langwierigen Titel: Der im Irrgarten der Metrik umhertaumelnde Cavalier. Heine wetzte hingegen schärfere Messer. Im dritten Band seiner Reisebilder nimmt er sich Platen vor, aber nicht den Dichter, sondern den Homosexuellen: „…der Name Mann überhaupt passt nicht für ihn, seine Liebe hat einen passiven pythagoreischen Charakter, (…), er ist ein Weib, und zwar ein Weib, das sich an gleich Weibischem ergötzt, er ist gleichsam eine männliche Tribade.“
Interessant dabei ist, dass Platens judenfeindliche Angriffe auf Heine in der Öffentlichkeit unwidersprochen blieben, die Retourkutsche Heines jedoch kritisiert wurde. „Heine ist zu weit gegangen“, schrieb der Zeitgenosse Karl Herloßsohn und ein anonymer Rezensent, hinter dem Heinrich Brockhaus vermutet wird, schrieb: „Heine rächt sich dadurch, dass er, auf einige Ausdrücke in einigen von Platens Gedichten fußend, diesen als überwiesenen, offenkundigen P ….. behandelt. […] Mit solch einer schmutzigen Frechheit, mit solcher niederträchtigen Gemeinheit ist wohl noch nie ein Streit zwischen Schriftstellern geführt worden, weder bei uns, noch bei andern Nationen.“
Christopher Keppel und Joachim Bartholomae haben mit dem vorliegenden Buch diese niederträchtige Kontroverse zwischen den Dichtern sorgsam dokumentiert und den neuesten Stand der Forschung dargestellt. Besonders erfreulich ist dabei, dass sie die wesentlichen Textstellen der Beteiligten nicht nur stellen- sondern seitenweise abdrucken.
Der Einband zeigt nach einer Zeichnung von Aubrey Beardsley ein weibisches Fabelwesen flankiert von einer antisemitischen Karikatur aus dem späten 19. oder frühen 20. Jahrhundert, die in der Quellenangabe auch Beardsley zugeschrieben wird. Jene trägt bereits die Züge der rassistischen Denunzierung des jüdischen Körpers und zeigt wohl einen „Ostjuden“ mit all seinen Stigmata der großen Nase, der schlechten Zähne sowie des ungepflegten Äußeren. Damit unterstellen sie bildlich Platen einen rassistischen Antisemitismus, den dieser bei seinem Angriff auf Heine nicht meinte. Dieser unreflektierte Umgang mit Antisemitismus zieht sich auch durch den Text von Kreppel und Bartholomae, die den Terminus des „Antisemitismus“ wie eine zeit- und geschichtslose Erscheinungsform der antijüdischen Niedertracht verwenden. Doch auch der „Antisemitismus“ (sowie seine Begriffschöpfung) hat eine Geschichte und ist in seiner rassistischen, eben „antisemitischen“ Form eine Weiterentwicklung der christlichen Judenfeindschaft. An solchen Stellen gerät der Kommentar mit seiner lesefreundlichen, feuilletonistischen und bisweilen polemischen Sprache an ihre Grenzen. Hier wird er unscharf und evoziert Bilder, die schlicht falsch sind.
Christopher Keppel/Joachim Bartholomae: „Scharfe Ghaselen“ und „Knoblauchgeruch“. Platen, Immermann und Heine streiten über eche Juden, warme Brüder und wahre Poesie: Hamburg: Männerschwarm 2012 erhältlich bei Löwenherz