die kompetenteste publikation zu feministischer linguistik rezensiert von sara ablinger
„was das buch nicht macht und hat: es gibt nicht die „richtige“, nicht-diskriminierende sprachform und -weise, die hier nachlesbar und auswendiglernbar wäre – es fordert dazu auf, selbst nachzudenken und reflektiert zu sprachhandeln. […] was das buch macht und ist: […] es macht deutlich, dass sexismus immer auch zusammen, also interdependent, mit rassismus und ableismus sprachlich realisiert wird.“ (s.13f.)
was das buch macht und auch gut kann: an grenzen gehen. es geht insofern an grenzen, dass es leute, die mit queer-feministischem sprachgebrauch nix am hut haben, ziemlich sicher nach ziemlich kurzer zeit in die luft schlägt. einerseits weil linguistische theorie kompliziert und nicht ganz so einfach lesbar ist, andererseits weil mensch ein bisschen vor-wissen oder vor-ahnung von den inhaltlichen komponenten, nämlich diskursen zu diskriminierungsformen wie sexismus, rassismus und ableismus haben sollte. ansonsten taucht eine person sofort weg. außer natürlich es handelt sich um eine_n linguist_in, dann versteht die person diesen theoretischen zugang – eine „berufskrankheit“ quasi. es ist also ein buch vorwiegend für queer-feminist_innen (oder eben passionierte linguist_innen), die sich mit sprachgebrauch zumindest schon einmal auseinandergesetzt haben. und denen das thema so sehr am herzen liegt, dass sie die hürden überspringen wollen. mir liegt das thema am herzen, darum hab ich mich auch reingekniet. und ich bin froh drüber. es ist ein buch, das sich an einem guten tag für mich durchaus leicht lesen lässt. an einem kopfweh-tag oder unter zeitdruck ist es nicht zu empfehlen, schließlich ist es keine erholungslektüre. es ist das gegenteil, aber in einem positiven sinn. dieses buch erfordert viel reflexion.
es ist eine tolle sammlung an verschiedenen schreibweisen und deren bedeutung. es zeigt verstrickungen, unterschiedliche diskriminierungsmechanismen mit der einen oder anderen sprach- und schreibwahl.
das buch ist in mehrere kapitel gegliedert, anfänglich mit den grundlagen zu sprache und diskriminierung und zu sprachkonzepten. der_die autor_in versteht sprache und „sprachliche äußerung und sprachliche manifestation“ (s.23) natürlich als handlungselement. „in kapitel iii stelle ich meine konzeption von genderismus vor, die in anlehung an die idee von sexismus und in weiterführung der ausdifferenzierung von sexismus von alyosxa tudor und mir in ´feminismus schreiben lernen´(2011) aufzeigt, wie differenziert und grundlegend sich genderismus/sexismus, immer interpendent mit rassismus und ableismus manifestiert und wirkt und wie sexismus/genderismus jeweils interdependentem genderismus, gebe beispiele für ihre sprachliche realisierung und differenziere unterschiedliche argumentationsformen von genderismus.“ (s.24)
von diesen analysen ausgehend folgen kapitel z.b. zu verschiedenen anti-diskriminatorischen sprachweisen und interventionen.
weiters gibt es erörterungen zur kleinschreibung als auch einen glossar mit den zentralen begrifflichkeiten. besonders die kleinschreibung ist für viele ungewöhnlich und dennoch begeistert sie mich.„dadurch, dass ich angefangen habe, alles kleinzuschreiben, habe ich auch angefangen, die substanz von substantiven stärker zu hinterfragen, habe die essentialisierung von substantiven aufgelöst, angefangen aufzulösen, habe substantivische setzungen stärker in bewegung versetzt, stärker herausgefordert, neu gefasst, neu losgelassen. […] kleinschreibungen vereinfachen für mich die möglichkeit, einer vielfach ausschließenden normsprache“ (s.25) als ich am anfang meines studiums eine arbeit zu genreübergreifenden dadaistinnen schrieb, durften wir das künstlerische auch in unsere arbeit einfließen lassen. ich entschied mich alles klein zu schreiben. weil ich es kreativ fand. seither schreibe ich am liebsten klein. am liebsten auch wissenschaftliche arbeiten. denn: was der_die autor_in im zitat beschreibt, war auch meine wahrnehmung. auf einmal erhielt ich einen ganz anderen eindruck über sprache, hierarchien wurden für mich sichtbar. kleinschreibung hat etwas revolutionäres, finde ich.
„wissenschaftliches schreiben wird häufig als ent_personalisierung verstanden, als ent_fremdung vom eigenen, als abstraktionsfähigkeit und generalisierung. diese impulse laufen in meiner auffassung feministischen vorstellungen zu wissen, wahrheit, subjekt und politischer handlung zuwider und untergraben sie. wie in allen situationen, so ist auch ein feministisches beschäftigen mit sprache von mehreren paradoxen gekennzeichnet, die es gleichzeitig auch immer weider ausmachen und aufrufen:
– die institution akademischer wissensproduktion mit ihren expliziten wie impliziten normen und regeln bedingt vorstellungen dazu und stellt sie auch immer wieder her, was wissen sei, was sprachhandlungen sind. eine feministische, anti- oder contra_rassistische und -ableistische wissenschaftskritik fordert vorstellungen von objektivität, allgemeingültigkeit ganz grundlegend heraus. in dem verbleiben in aber genau dieser institutiton werden diese normen zugleich auch immer wieder aufgerufen, ihre veränderungen und herausforderung ist also immer auch nur ein stückweit möglich und gleichzeitig wird der status und dir vorstellung davon, was wissenschaft sei, auch immer wieder re_produziert.
– die sprachlichen instrumentarien und konventionen, die menschen meinen, dass sie ihnen zur verfügung ständen und die häufig als sprache jenseits des sprechens wahrgenommen werden, sind geprägt von interdependeten diskriminierungsstrukturen, die sie normalisieren und die durch sie gleichzeitig auch immer wieder affirmativ hervorgebracht werden. wie kann also eine soziale veränderung mit und in diesen als vorgängig und als begrenzungen und ressourcen erlebten sprachformen stattfinden? inwiefern sind alle versuche von sprachveränderungen nicht also gleichzeitig immer auch schon und wieder in eine diskriminierende gesellschaftliche sturuktur einverleibt?“ (s.16f)
der_die autor_in stützt sich auf bedeutende persönlichkeiten wie die* afro-deutsche may ayim, bell hooks, grada kilomba, audre lorde, luise f. pusch mit ihrer feministischen sprachkritk, den* österreichischen wissenschaftler persson perry baumgartinger, deborah cameron und ihre* frage nach „warum ist sprache ein feministisches thema?“, evelyn hayn, marlis hellinger, u.a., die dem fachpublikum in den meisten fällen bekannt sind.