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Sex in Wien (1) – Die Sammlung E. J.

Highlights aus der Ausstellung Sex in Wien. Lust. Kontrolle. Ungehorsam, die noch bis 22. Jänner 2017 im Wien Museum läuft und bei der QWIEN Kooperationspartner ist. Wir stellen in loser Folge ausgestellte Stücke unserer Sammlung oder anderer queere Highlights vor. Oder einfach Objekte, die wir besonders mögen …
Über die Vermittlung von Natter Fine Arts in Wien erhielt QWIEN im Sommer die Sammlung E. J. als Schenkung. Auswählte Bilder aus der Fotosammlung wurden erstmals Anfang der 1990er-Jahre ausgestellt, aber nur wenige kannten ihren wahren Umfang. QWIEN wird die wertvolle Schenkung 2017 aufarbeiten und danach der Forschung zur Verfügung stellen.

Foto (c) QWIEN

Foto (c) QWIEN


Ende der 1980er-Jahre tauchte in einem Wiener Antiquariat eine mehrere tausend Fotos und Negative umfassende Sammlung an Fotografien auf, von denen viele Burschen und junge Männer in Aktaufnahmen zeigten. Der Fotohistoriker Peter Weiermair publizierte 1990 erstmals kleine Auszüge aus der Sammlung, der er den Namen des in den Dokumenten immer nur „E. J.“ genannten Fotografen gab. Seither wurde sie zwar in Ausstellungen gezeigt – so auch 2005 in der Geheimsache: Leben. Schwule und Lesben im Wien des 20. Jahrhunderts – aber noch nie umfassend gesichtet und erforscht. Weiermair konnte in seiner Publikation den biografischen Hintergrund des Fotografen zumindest in Ansätzen rekonstruieren:
Er dürfte um 1902 in Landskron im Sudetenland, dem heutigen Lanškroun in Tschechien, geboren worden sein. Schon als Student engagierte er sich in der deutschnationalen Burschenschaft Germania und später beim tschechischen Pendant zur NSDAP, der Sudetendeutschen- oder Henlein-Partei, und war „zudem in seinen ästhetisch-erotischen Anschauungen von der Überlegenheit der ‚germanischen Rasse‘ überzeugt“, wie Weiermair zu E. J.s auch ästhetischem Naheverhältnis zum Nationalsozialismus ausführte. In der Nachkriegszeit ließ sich E. J. in Wien nieder, wo er 1982 verstarb.
Foto (c) QWIEN

Foto (c) QWIEN


Doch enthält der Nachlass viel mehr als erotische Aufnahmen junger Männer, denn er umfasst zwölf Kartons mit Fotografien und Negativen von den 1920er bis in die 1970er-Jahre. Aufnahmen aus seinem Freundes- und Bekanntenkreis, Fotos aus der Zeit des 2. Weltkriegs und Dokumentationen von Reisen (u.a. nach Ägypten) sind in diesem bislang nur überblicksartig gesichtetem Teil des Bestandes zu finden. Aus diesem umfangreichen Bestand werden sich nach entsprechenden Forschungen auch neue biografische Details zum Leben E. J.s rekonstruieren lassen.
E. J. mit einem seiner Modelle, 1960er-Jahre Foto (c) QWIEN

E. J. mit einem seiner Modelle, 1960er-Jahre
Foto (c) QWIEN


Obwohl Homosexualität verboten war und auch die Produktion und der Besitz erotischer oder pornografischer Bilder in den „Schmutz und Schund“-Kampagnen der Reaktionären verfolgt wurde, wagte es E. J. seinem Begehren zu folgen und lichtete in den 1950er und 1960er-Jahren in Wien, an der Donau oder in der Lobau, junge Burschen in meist recht distanzierten, neutralen Posen, manchmal aber mit erigiertem Glied, ab. Allerdings versteckte er diese Fotos in sechs ausgehöhlten Büchern, die er wahrscheinlich in seiner Bibliothek eingereiht hatte. So verschwanden die inkriminierten Bilder vor neugierigen Blicken und auch Nachforschungen der Polizei wurden dadurch sicher erschwert. Er wählte dazu unverfängliche Werke, den Band eines Wörterbuches oder Werke von Theodor Fontane und Walter Scott.
E. J.s Bücherverstecke und die darin enthaltenen Bilder zeigen, dass sexuelles Begehren trotz aller Verbote einen Weg zur Erfüllung sucht, auch wenn diese nur im Verborgenen stattfinden kann.
Noch zu sehen bis 22. Jänner 2017 im Wien Museum bei Sex in Wien. Lust. Kontrolle. Ungehorsam

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