Péter Eötvös‘ sehens- und hörenswerte Oper Angels in America wird endlich auch ich Österreich gespielt. Ein Kulturtipp von Andreas Brunner
Als Tony Kushners sechsstündiges, zweiteiliges Monumentaldrama Angels in America in den frühen 1990er-Jahre die Bühnen der Welt eroberte, war die Aids-Krise auf ihrem Höhepunkt. In Österreich wurden die beiden Teile Die Jahrtausendwende naht und Perestroika in der Spielzeit 1994/95 in einer umjubelten Inszenierung von Hans Gratzer an seinem Schauspielhaus in der Wiener Porzellangasse gezeigt. Auch in Wien erkrankten und starben besonders in der schwulen Community junge Männer, kaum ein Freundeskreis war nicht davon betroffen. Und Heilung war in Sicht. Die lebensrettende Kombinationstherapie wurde erst im Jahr darauf der XI. Welt-AIDS-Konferenz vorgestellt.
Mit einem von einem Rabbi zelebrierten Begräbnis beginnt denn auch Kushners Passionsspiel, um in der zweiten Szene gleich tief in die amerikanische Geschichte einzutauchen. Der Anwalt Roy Cohn traktiert seinen jungen Mitarbeiter Joe. Beide sind homosexuell. Der Eine, der historisch verbürgte, offen homophobe Cohn, ein korrupter Anwalt (u.a. von Donald Trump) und fanatischer Anti-Kommunist, würde sich das aber nie eingestehen. Er wird an Aids sterben, die Todesurasche aber bis zuletzt leugnen. Der Andere, eine fiktive Figur, ist Mormone und kämpft mit seinem gleichgeschlechtlichen Begehren. Er wird sich im Laufe des Dramas von seiner valiumsüchtigen Frau Harper trennen, weil er sich in den jüdischen Intellektuellen Louis verliebt, der aus Panik und Überforderung seinen an Aids sterbenden langjährigen Partner Prior für Joe verlassen wird.
In wenigen Szenen entfaltet Kushner die Grundkonstellationen seines Dramas, in dem sich seine Figuren immer tiefer in einem Strudel aus Liebe und Hass, politischer Korruptheit und religiös motivierter Verlogenheit verlieren. Einzig die Drag Queen Belize, die sich als Pfleger um den todkranken Prior kümmern wird, erscheint als Lichtgestalt in diesem düsteren Pandämonium der konservativen Reagan- und Bush-Jahre. Geschickt hat Péter Eötvös‘ Librettist Mari Mezei den vielstimmigen auf Traum- und Realitätsebenen spielenden Text von Kushner komprimiert, ohne dabei die zentralen Themen aus dem Auge zu verlieren. Péter Eötvös komponierte dazu eine an Broadwaysounds anklingende Musik, die zwischen Melancholie und Aufbegehren changiert, wuchtig und derb aber auch poetisch und zart die Gefühlskonflikte der Protagonst*innen einfängt.
Es ist dem Engagement von Walter Kobéra und seinem Team der Neuen Oper Wien zu danken, dass dieses berührende und aufwühlende Stück zeitgenössischen Musiktheaters, das bereits 2004 in Paris uraufgeführt wurde, endlich auch in Österreich zu sehen und zu hören ist. An vier Abenden (26., 28., 29. September und 1. Oktober) wird Angels in America in einer Inszenierung von Matthias Oldag im Wiener Museumsquartier aufgeführt. Karten und nähere Infos hier.
Vor jeder Vorstellung gibt es jeweils ab 18.45 ein Einführungsgespräch mit dem Intendanten und Dirigenten Walter Kobéra.