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Fundstück des Monats (April 2023)

Vor siebzig Jahren erschien die abgebildete Nummer der in Hamburg erscheinenden Zeitschrift Der Weg. Die Monatsschrift für Freundschaft und Toleranz war eine der langlebigsten deutschsprachigen Homosexuellen-Zeitschriften der Nachkriegszeit. Nur der in der Schweiz erscheinende dreisprachige Kreis erschien über einen noch längeren Zeitraum. Zwischen 1951 und 1971 erschien monatlich eines der kleinformatigen Hefte mit Beiträgen aus der Homophilenbewegung. Das Erfolgsrezept für die Langlebigkeit des Wegs war wohl in der Zurückhaltung, mit der das Thema Homosexualität dargestellt wurde. Sowohl die Texte als auch die Abbildungen und Fotografien vermeiden allzu deutliche sexuelle Darstellungen. Auch wenn man Homosexualität offen ansprach, versuchte man ganz offensichtlich nicht die Aufmerksamkeit der Behörden zu erregen. Dieses vorsichtige Agieren wurde den Mitgliedern der Homophilenbewegung von der jungen Schwulenbewegung der ausgehenden 1960er und frühen 1970er Jahren zum Vorwurf gemacht. Die Generation schwulenbewegter Männer wandte sich von Publikation die Der Weg ab, was wohl auch zu seiner Einstellung 1971 führte.

Neben Gedichten, Kurzgeschichten und Kontaktanzeigen enthielten die Hefte Berichte über die rechtliche und gesellschaftliche Situation Homosexueller in anderen Ländern. So finden sich auch immer wieder Berichte aus Österreich, die heute zu den raren Quellen über das Leben homosexueller Männer in den 1950er und frühen 1960er Jahren zählen. In der April-Nummer des Jahres 1953 erschien auch der „Versuch einer Deutung“ der Figur von Gustav Aschenbach aus Thomas Manns Novelle Tod in Venedig. Deren Autor B. R. René schrieb sie, während er in einem deutschen Gefängnis von seinem „Bekenntnis als Homoerot abgebracht werden sollte“. Eine beigefügte Widmung lässt die Verzweiflung aber auch den Widerstandsgeist jener Generation schwuler Männer erahnen, die unter strafrechtlicher Verfolgung und gesellschaftlicher Ächtung zu leiden hatten:

„Gewidmet sei die Arbeit dem Freunde, dessen Bildchen – aller Strafvollzugsorgane ungeachtet – täglich auf ihr Entstehen niederschaute, dessen stete Gegenwart auch stille Stunden nie zu hoffnungsloser Einsamkeit werden ließ.“

QWIEN hat in seiner Bibliothek einen umfangreichen Bestand an Ausgaben von Der Weg aus dem gesamten Erscheinungszeitraum, der gerade digitalisiert wird, damit er in Zukunft der historischen Forschung leichter zugänglich sein wird. Im Sommer wird unsere Zeitschriftenkatalog online gehen, in dem über 450 internationale Zeitschriftentitel mit mehr als 20.000 Einzelnummern erfasst sind. Schon jetzt kann in unseren Buchbeständen unter katalog.qwien.at recherchiert werden.

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