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Nachruf auf Wolfram Setz

2010 hielt er die Festrede zur öffentlichen Präsentation von QWIEN im  Marmorsaal des Wiener Theatermuseums im Palais Lobkowitz. Anfang der Woche ist der Historiker und Herausgeber Wolfram Setz in Hamburg 82-jährig verstorben.

Die Verdienste des 1941 in Stralsund geborenen Historikers sind nicht hoch genug einzuschätzen. Durch seine Arbeit aber auch durch seinen unermüdlichen Einsatz erfuhr insbesondere die schwule Geschichtsforschung maßgebliche Impulse. Neben der in den 1990er-Jahren erscheinenden Reihe Homosexualität und Literatur, die es auf zwölf Bände brachte, und in der noch heute Standardwerke von Paul Derks, Klaus Müller oder Marita Keilson-Lauritz lieferbar sind, war es die von Wolfram Setz 1991 gegründete und bis heute erscheinende Buchreihe Bibliothek rosa Winkel, die zentrale Werke unserer eigenen Geschichte wieder zugänglich machte. Allen voran die weitgehend vergessenen Schriften von Karl Heinrich Ulrichs, dessen zwölf Bücher zur mann-männlichen Liebe die schwule Geschichtswissenschaft beflügelten.

Neben Klassikern von Bruno Vogel, Hermann Bang oder John Henry Mackay waren es die unzähligen Wiederentdeckungen, die uns zeigten, wie reich die eigene Geschichte war und ist, wenn man die Fühler nach Unbekanntem ausstreckt. Auch aus österreichischer Sicht war das Unternehmen sehr ertragreich. So erschienen in der Bibliothek zwei Bände mit Werken des homosexuellen, jüdischen Dichters Alfred Grünewald, der von den Nazis in Auschwitz ermordet wurde, darunter auch einige unveröffentlichte Texte, oder Texte von Emil Maria Vacano, zu dem Wolfram Setz als Herausgeber auch wichtige biografische Details zusammentrug.

Wolfram Setz war bei seinen Publikationen immer den Quellen verpflichtet, die er in seinen penibel recherchierten Vor- und Nachworten zu den Wiederveröffentlichungen offenlegte. Keine noch so kleine Spur blieb unverfolgt und führte zu Nachforschungen in zahlreichen Archiven und Bibliotheken in halb Europa. Es werden noch Generationen von Historiker:innen und Literaturwissenschaftler:innen von dem umfangreiche Werk Wolfram Setz‘ profitieren, der in der Bibliothek rosa Winkel auch Aufsatzsammlungen, wissenschaftliche Arbeiten und Festschriften für andere verdiente Forschende veröffentlichte.

In Wien stellte er 2010 die Neuausgabe des Romans Fridolins heimliche Ehe vor, den der Burgtheaterdirektor Adolf Wilbrandt in den 1870er-Jahren veröffentlichte. Das Buch war kein literarisches Meisterwerk, gilt aber als der erste deutschsprachige Roman, der mit einem Happy End für den einen anderen Mann begehrenden Protagonisten endete. Das Erscheinen des 81. Bandes seiner Bibliothek rosa Winkel erlebte Wolfram Setz nicht mehr. Wir verlieren mit ihm einen langjährigen Wegbegleiter, Unterstützer und Freund. Wir werden ihn nicht vergessen. (Andreas Brunner)

Foto: Wolfram Setz 2021 in Berlin anlässlich der Feierlichkeiten zu 30 Jahre Bibliothek rosa Winkel, Foto: James Steakley/Männerschwarm

Alle lieferbaren Bänder der Bibliothek rosa Winkel sind in der Buchhandlung Löwenherz erhältlich.

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