Seit fast dreißig Jahren veröffentlicht das British Film Institute seine Reihe BFI Film Classics, in welcher bedeutende Filme vorgestellt, interpretiert und zelebriert werden. Tara Prochaska hat den aktuellen Band über den deutschen Klassiker und Meilenstein der queeren Filmgeschichte Mädchen in Uniform gelesen.
Die Protagonistin Manuela von Meinhardis wird zu Beginn des Films auf ein preußisches Mädcheninternat geschickt. Dort verliebt sie sich in eine der Lehrerinnen, das fürsorgliche Fräulein von Bernburg. Nachdem sie sich betrunken zu ihrer Liebe bekennt, bestraft sie die konservative Direktorin. Manuela will sich daraufhin das Leben nehmen, wird jedoch von ihren Mitschülerinnen gerettet. Dies steht symbolisch für einen Machtverlust der strengen Direktorin, welche den unterdrückenden Traditionalismus der Weimarer Republik repräsentiert.
Die zentralen Themen des Films wie weibliche Sexualität, Freundschaft und Begehren diskutiert die Autorin Barbara Mennel auf knapp hundert Seiten. Dafür werden vor allem der historische Kontext und die Rezeptionsgeschichte des Werks in den Vordergrund gerückt. Sie führt aus, wie die Regisseurin Leontine Sagan durch einen zur Entstehungszeit nuancierten Einsatz moderner Methoden des Filmemachsens und der Darstellung weiblicher Beziehungen abseits einer patriarchalen Autorität und die politischen und gesellschaftlichen Umstände der späten Weimarer Republik kritisiert. Einzelne Aspekte wie die repräsentative Funktion von Architektur, die homoerotischen Untertöne der Freundschaften, die Hierarchie des Internats als Verweis auf preußischen Militarismus, welche im Film nur wenig Zeit einnehmen, werden von Mennel weiter ausgeführt.
Zudem wird sich mit der vielfältigen Gruppe der an der Produktion beteiligten Frauen auseinandergesetzt. Die Biografien der Schauspieler:innen und des Filmstabes wurden durch Mädchen in Uniform aber auch durch die Machtübernahme der Nationalsozialisten und die Diskurse um den Film unter dem Nazi Regime teilweise stark beeinflusst.
Durch die Analyse diverser Neuverfilmungen wird veranschaulicht, wie sehr sich die Auffassung des Werkes mit zeitgenössischen Umständen und unterschiedlicher Publika wandelte. Auch Kontroversen um Zensur und inakkurate Übersetzungen werden aufgezeigt. Durch die konstante Präsenz verschiedener Adaptionen, wie beispielsweise der 1958 erschienenen Verfilmung mit Romy Schneider, wird Mädchen in Uniform eine gewisse Zeitlosigkeit zugeschrieben.
Barbara Mennels Buch zu Mädchen in Uniform gibt tiefere Einblicke in die Vielschichtigkeit des Films. Durch eine genaue Auseinandersetzung mit der umstrittenen Rezeptionsgeschichte, den beteiligten Frauen und der Einfluss des Films auf moderne Popkultur ist der schmale Band eine wunderbare Ergänzung und eine informative Hommage an den Film.
Barbara Mennel: Mädchen in Uniform. London: Bloomsbury 2024 (in englischer Sprache)