Gemeinsam mit Christopher Treiblmayr und Virginia Hagn hat QWIEN im letzten Jahr ein großes Forschungsprojekt mit dem Titel „Von Homoerotik zu Homophobie. Dekonstruktion stereotyper Sexualitäts- und Männlichkeitsbilder des ,Orients‘“ entworfen und zur Förderung beim Jubiläumsfonds der Österreichischen Nationalbank eingereicht.
Auf Basis eingeholter Fachgutachten wurde unser Projektantrag bewilligt, sodass im Zentrum QWIEN ab diesem Herbst für zwei Jahre lang schwerpunktmäßig zur Frage nach orientalischen Bildern von Sexualität und Männlichkeit im deutschsprachigen Raum seit 1850 geforscht wird.
Edward Saids Feststellung über die Funktion des „Orients“ als Gegenfolie bzw. zentrales Element in der Konstruktion und Eigendefinition „westlicher Kultur(en)“ als Bezugspunkt nehmend, untersucht das Forschungsprojekt unter Einbeziehung einer feministischen wie auch postkolonialen Perspektive, warum gerade die Homoerotisierung des „Orients“ so zentral für die Konstruktion „westlicher Kultur(en)“ war und ist.
Ausgehend von hegemonialen Männlichkeitsmodellen, die sich seit der Mitte des 19. Jahrhunderts im deutschsprachigen Raum verfestigt haben, untersuchen wir anhand eines sehr vielfältigen Text- und Bildkorpus’, der von Reiseberichten über Schriften der Sexualwissenschaft und Spielfilmen bis zur Repräsentation „orientalischer“ Männer in Pornofilmen reicht, die Veränderungen des Bildes dieser Männer in der westlichen Kultur. Mithilfe diskursgeschichtlicher und tiefensemantischer Analysen der Quellen werfen wir fünf „Schlaglichter“ auf die letzten 150 Jahre: Die Verfestigung hegemonialer Männlichkeitsbilder im 19. Jahrhundert; Die erste Homosexuellenbewegung und sexualreformerische Bestrebungen; Remaskulinisierung nach dem Zweiten Weltkrieg; Die „68er-Bewegung“ und die „Gastarbeiter_innendebatte“; Die Pluralisierung von Männlichkeit seit den 1990er-Jahren.
Die Stereotypisierung „orientalischer Sexualität“ und ihre Funktionalisierung als Gegenentwurf „westlicher“ Werte-, Moral-, Emanzipations- und Sexualitäts- bzw. Geschlechtervorstellungen sind allerdings nicht als rein historische Phänomene zu sehen, sondern stellen auch zentrale Elemente aktueller Diskurse dar. So nimmt das Projekt vor allem auch die Debatten der letzten Jahre über die, als solche wahrgenommene, „Andersartigkeit“ orientalischer (und hier besonders: muslimischer) Sexualität sowie die sich daraus ergebende mögliche „Bedrohung unserer Kultur“ zum Anlass, historische und aktuelle „orientalistische Sexualitätsbilder“ zu dekonstruieren und ihre Abhängigkeit von den jeweils gültigen Geschlechter- bzw. Sexualitätsvorstellungen innerhalb der „westlichen Kultur(en)“ aufzuzeigen.
Bis zum Sommer werden wir das Forschungsprojekt weiter konkretisieren und wissenschaftliche Mitarbeiter_innen suchen. Dann geht unsere Forschungsreise los. We keep you posted.