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Queering Volkskunde

Zentrum QWIEN und das Volkskundemuseum Wien präsentieren eine Tagung zu LGBTIQ*-Themen in Kulturanthropologie, Europäischer Ethnologie und Empirischer Kulturwissenschaft.

Ehedem vor allem zuständig für ›Tradition‹, ›Sitte‹ und ›Brauch‹ hat sich die Volkskunde seit den 1970er Jahren stark gewandelt: Weg vom ›Volk‹, hin zu ›Bevölkerung‹. Weg von ›Überlieferung‹, hin zu Gegenwartsthemen. Weg vom Ländlichkeitskult, hin zum städtischen Leben. Mit diesem Wandel verbunden war auch eine Entdeckung bislang übersehener Gruppen: Arbeiter*innen, Juden und Jüdinnen, Frauen und zugewanderte Menschen. Geht es jedoch um ›queere‹ Menschen und Sexualitäten, bleibt das Fach, das heute an den Universitäten meist als ›Empirische Kulturwissenschaft‹, ›Europäische Ethnologie‹ oder ›Kulturanthropologie‹ firmiert, bis heute zurückhaltend. Für QWIEN – Zentrum für queere Geschichte und das Wiener Volkskundemuseum Grund genug, den bereits traditionellen Queer History Day heuer zum ›Queer Anthropology Day‹ zu machen und Randthemen in die Mitte des Fachs zu stellen – wenigstens für einen Tag.

Donnerstag 9. Juni, 10.30 – 17.30 Uhr
Volkskundemuseum Wien, Laudongasse 15-19, 1080 Wien
Eintritt frei!

Mit Unterstützung der WASt – Wiener Antidiskriminierungsstelle für LGBTIQ-Lebensweisen

Foto: © Matthias Klos, Volkskundemuseum Wien

 

Programmübersicht (ausführliche Abstacts siehe unten):

10:30-11:00 Andreas Brunner (Zentrum QWIEN): Begrüßung
11:00-11:45 Peter Hörz (Hochschule Esslingen (N.)/Karl-Franzens-Universität Graz): Queering Volkskunde? Zwischenbilanz, Referenzen, Perspektiven
11:45-12:30 Hans-Peter Weingand (Historiker Graz): Des Knaben Wunderhorn – revisited. Neue Fragen an alte, klassische volkskundlichen Quellen
12:30-13:30 Mittagspause
13:30-14:15 Intervention in die Dauerausstellung: Queere Heimatkunde (Zentrum QWIEN, Guide Gerd Brandstätter)
14:30-15:15 Begonya Enguix Grau (Universitat Oberta de Catalunya): Ambivalence and Paradox in Pride Parades: the Spanish Case (Vortrag in Englisch)
15:15-15.30 Pause
15:30-16:15 Valentin Guillaume Meneau (Paris-Lodron-Universität Salzburg): Queerness and/or DanceSport: Mapping LGBTQI along a Compulsive Heteronormative Dispositive (Vortrag auf Englisch)
16:15-17:00 Konstantin Mack (Julius-Maximilians-Universität Würzburg): Auf den Hund gekommen – Spiel, Sexualität und Gemeinschaft im Pup Play
17:00-17.30 Herbert Justnik (Kurator, Volkskundemuseum Wien) & Hannes Sulzenbacher (Zentrum QWIEN): Wie queer kann ein Volkskundemuseum sein?

 


Ausführliche Informationen zu den Vorträgen und Vortragenden (deutsch/englisch)

Queering Volkskunde – eine Tagung zu LGBTIQ*-Themen in Kulturanthropologie, Europäischer Ethnologie und Empirischer Kulturwissenschaft

Bis Ende der 1960er-Jahre eine von der Germanistik beeinflusste historische Kulturwissenschaft hat die Volkskunde in den letzten 50 Jahren einen radikalen Wandel durchlaufen. Das Fach reflektierte seinen Beitrag zur Entwicklung der NS-Ideologie und readjustierte sein Selbstverständnis: weg vom »Leben in überlieferten Ordnungen« (Schmidt 1947) hin zur problemorientierten Kulturwissenschaft. Weg vom ›Volk‹, hin zu ›Bevölkerung‹. Die Volkskunde sollte »demokratische Kulturgeschichtsschreibung« (Fielhauer 1972) werden und widmete ihre Aufmerksamkeit fortan immer öfter Gruppen, die lange übersehen worden waren: Arbeiter*innen, Großstadtbewohner*innen, Juden und Jüdinnen, migrierte Menschen… Die Disziplin suchte und fand Anschluss an internationale Diskurse der Schwesterdisziplinen und neue Fachbezeichnungen und firmiert heute als ›Empirische Kulturwissenschaft‹, ›Kulturanthropologie‹ oder ›Europäische Ethnologie‹. Und mögen auch Teile der Öffentlichkeit mit ›Volkskunde‹ noch immer vorrangig Bauernhäuser, Trachten und das ›Volksleben‹ im ruralen Raum assoziieren, so belegen auch die Museen, die den Begriff ›Volkskunde‹ in ihrer Bezeichnung führen, immer wieder, dass sie den Wandel der akademischen Disziplin mitvollzogen haben.

Auffällig indessen ist, dass das Fach queeren Menschen bis heute nicht allzu viel Beachtung schenkt! Nicht weniger auffällig ist, dass das Fach dort, wo es um Sexualitäten geht, eher schweigsam bleibt! Für QWIEN – Zentrum für queere Geschichte und das Volkskundemuseum Anlass genug, LGBTIQ*-Themen in die Mitte des Fachs zu stellen – wenigstens für einen Tag. Gesprochen wird etwa über die, Prides in Spanien, Heteronormativität im zeitgenössischen Tanzsport, über das Puppy Play und über einen neuen Blick auf »Des Knaben Wunderhorn«. Die Vorträge werden teils in englischer, teils in deutscher Sprache gehalten.

 

Peter Hörz (Hochschule Esslingen (N.)/Karl-Franzens-Universität Graz)
Queering Volkskunde? Zwischenbilanz, Referenzen, Perspektiven

Die Volkskunde, die in universitären Kontexten heute lieber als ›Empirische Kulturwissenschaft‹, ›Europäische Ethnologie‹ oder ›Kulturanthropologie‹ firmiert, bietet im Vergleich zu anderen wissenschaftlichen Disziplinen – hierin sind sich Studierende und Graduierte einig – reichlich Freiheit: Die Freiheit zur Befriedigung wissenschaftlicher Neugier. Die Freiheit für eigenständiges Forschen ›im Feld‹ – oft schon im BA-Studium. Und, nicht zuletzt, die Freiheit der Themenwahl. Doch – gilt dies auch im Blick auf LGBTIQ*-Themen und Sexualitäten? Nun ja – irgendwie schon, denn Lesben, Schwule, Bisexuelle, Trans*personen und Sexualitäten kommen in Forschung und Lehre vor. Aber wie oft? Und an welchen Fachstandorten? Wer sind die Menschen, die LGBTIQ*-Themen im Fach vernehmlich machen? Und finden Sie Gehör? Wo verbleiben jene Fachvertreter*innen, die eine BA- oder MA-Arbeit mit entsprechenden Gegenständen wagen, à la longue? Die 2021 unter dem Motto »Sex.Sex.Sex« ausgerichtete Studierendentagung der Deutschen Gesellschaft für Volkskunde hat gezeigt, dass ›solche Themen‹ sehr wohl Gegenstände des Fachs sein können. Was, aber, so darf gefragt werden, wird dem über Sexualitäten und LGBTIQ*-Themen forschenden wissenschaftlichen Nachwuchs widerfahren, wenn er den Schon- und Experimentierraum der Universität hinter sich lassen und sich in einem neoliberalen Wissenschaftsbetrieb, in dem auch Politiken der Themenwahl eine Rolle spielen, behaupten muss? Gefragt werden darf, mit der vorangegangenen Frage korrespondierend, ob und wie Sexualitäten und LGBTIQ*-Themen Eingang in die Arbeit der ›Landesstellen‹ und Museen findet. Die Regenbogenbeflaggung am Wiener Volkskundemuseum stimmt hoffnungsfroh. Und tatsächlich ist in diesem Museum – und andernorts – auch themenpolitisch und inhaltlich einiges in Bewegung gekommen. Aber sind LGBTIQ*-Themen in der Mitte des Fachs angekommen? Einstweilen besteht Anlass zu Zweifeln…

Ausgehend von einer Bestandsaufnahme der Befassung und nicht Nichtbefassung mit LGBTIQ*-Themen im Fach unternimmt der Vortrag Rückblicke auf Personen der Fachgeschichte, die – gegen den Mainstream des Fachs – gezeigt haben, wozu Volkskunde fähig ist und wirft die Frage nach den Perspektiven eines ›queering Volkskunde!‹ auf.

Bio

Peter F. N. Hörz studierte Empirische Kulturwissenschaft bzw. Volkskunde und Erziehungswissenschat an der Eberhard-Karls-Universität Tübingen und an der Universität Wien, arbeitete in der Industrie und in verschiedenen Funktionen an den Universitäten Bamberg, Bonn und Göttingen. Aktuell lehrt Hörz Soziologie und Politikwissenschaft an der Hochschule Esslingen und Kulturanthropologie/Europäische Ethnologie an der Karl-Franzens-Universität Graz, hält Seminare an der Dualen Hochschule Baden-Württemberg und an der Julius-Maximilians-Universität Würzburg. Neben LGBTIQ*-Themen interessiert sich Hörz für Arbeitskulturen, (Bio-)Landwirtschaft und Schienen in der Stadt und auf dem Land.

 

Hans-Peter Weingand (Freiberuflicher Historiker und Kulturwissenschaftler, Graz)

Des Knaben Wunderhorn – revisited. Neue Fragen an alte, klassische volkskundlichen Quellen

Fachgeschichtlich haben ›volkskundliche‹ Aktivitäten schon vor universitärer Verankerung des Faches zu manchmal gut erhaltenen bzw. dokumentierten Sammlungen geführt. Sei es die Sammlung von Liedern, Märchen und Sagen bei Gewährspersonen, seien es Erhebungen zum »Volkscharakter«, zu Sitten und Bräuchen in speziellen Milieus mit Fragebögen, sei es die Dokumentation von kuriosen Material an den Wänden öffentlicher Toiletten oder Gefängniszellen.

Lohnt es sich Mut zu fassen, sich in die tiefsten und unheimlichsten Keller der Fachgeschichte zu begeben? Die »Fachgeschichte als Möglichkeitshorizont der Forschung« (Arthur Depner), das Vorgefundene als Möglichkeit für neue Forschungen zu begreifen? Sogar zum Forschungsfeld Sexualität, verbunden mit der Hoffnung auf Quellen jenseits simpler binären Geschlechterordnungen oder jenseits einer scheinbar alles dominierenden Heteronormativität? Welche Eigenschaften werden jenseits juristischer oder medizinischer Fachliteratur den Männern zugeschrieben, die Sex mit Männern haben. Welche Funktion hat hier der Spott? Wie ist es mit gesellschaftlicher Bandbreite der Akzeptanz des Spielens mit Geschlechterrollen bestellt?

(Vortrag in deutscher Sprache mit bilingualer Unterlage)

Des Knaben Wunderhorn – revisited. New questions to old, classic folk-sources

There has been activity on the specialist historical front in the field of unusual folk-studies for longer than this discipline has been secured at university level. These activities have, on occasion, led to well-preserved, well-documented collections; this may apply to collections of songs, tales or legends with the persons of reference. They also apply to investigations, questionnaires into ethnic characteristics, into customs and practices within specific environments and groups. In addition, they can apply to the documentation of curious, unusual material gathered from the walls of public toilets or prison-cells.

Is it worth plucking up one’s courage and probing the very depths of the deepest and dimmest pits of historical research? »Specialist History as Horizon of Potential in Research« (Arthur Depner) – understanding the material available as starting-out point for new research? Applying this even to the field of sexuality-research, combined with the hope of discovering sources way beyond the simplistic binary sexual classifications?

What characteristics are ascribed to men who have sex with men, beyond the realms of legal and medical literature? What role does derision play? And how about the social spectrum when it comes to acceptance of shifting gender roles?

Bio

Hans-Peter Weingand, MA MA, geb. 1964, beruflich in der PR-Branche, dann Studium der Geschichte und der Europäischen Ethnologie in Graz. Hier Publikationen zu Halloween, zu literarischen Ursprüngen des Vampirismus in der Steiermark, zu fachgeschichtlichen Aspekten der Volkskunde (Geramb, Weiser-Aall, Grazer Volkskundemuseum), zur Hochschulgeschichte und zu Fragen rund um die Themen Homo- und Intersexualität. Zuletzt »Sexualität und Öffentlichkeit im frühen 19. Jahrhundert“« bzw. »Macht der Bilder, Macht der Mythen: 50 Jahre ›Stonewall Riots‹« (in: Invertito 23/2021). Aktuelle Tätigkeit: Freiberuflicher Historiker und Kulturwissenschaftler.

 

Intervention in die Dauerausstellung
Queere Heimatkunde: Führungen durch das Österreichische Museum für Volkskunde (in deutscher Sprache)

Geführt von Gerd Brandstätter

Volkskundliche Sammlungen beinhalten Objekte – Möbel, Arbeitsgeräte, Werkzeug, Haushaltsgegenstände, Textilien – die über lebensgeschichtliche Zusammenhänge zumeist ländlich geprägter Bevölkerung Auskunft geben sollen. Sexualitätsgeschichtlich bedeutete dies eine durch sie hergestellte, a priori angenommene heterosexuelle Organisation. Konsequenterweise entwickelten sich Museen für Volkskunde zu Instanzen der Heteronormativität und streng binär gedachter Geschlechtsidentitäten. „Queere Heimatkunde“ kann demgemäß weder auf Objekten in diesen Sammlungen aufbauen noch auf museale Narrative, die diesen Konstruktionen widersprechen. Wenn dies nun mit den vom Zentrum QWIEN in Zusammenarbeit mit dem Volkskundemuseum Wien veranstalteten Führungen für „queere Heimatkunde“ geschieht, ist deshalb eine weitere Strategie queerer Tradition nötig: jene der Aneignung, der Vortäuschung und der blanken Erfindung. Denn „Queering a Museum“ kann auch bedeuten, sich die Deutungshoheit über die vorgestellten Narrative einfach zu nehmen, nicht-geschlechtsbinäre, nicht-heteronormative Denkweisen zu eröffnen. Eine Gegenerzählung ist möglich, wenn auch – möglicherweise – unwahr.

 

Begonya Enguix Grau (Universitat Oberta de Catalunya)
Ambivalence and Paradox in Pride Parades: the Spanish Case

Before Covid-19, on the first Saturday of July, Madrid hosted the State LGTB (Lesbian, Gay, Bisexual and Transgender) Pride Demonstration with participants from Spanish LGTB activist groups, trade unions, political parties, NGOs and private entrepreneurs. In 2005 Madrid hosted the Europride and in 2017 the WorldPride was held in Madrid. Madrid ›mainstream‹ LGTBI demonstration is, according to the organisers, the biggest LGTB demonstration in Europe. Still organised by activist groups (with the ›collaboration‹ of entrepreneurs) they avoid the term ›parade‹ to privilege the term ›demonstration‹, thicker in political significance. Around a million people participated in it until 2019, and it generated a profit of around 110 million euros for the city of Madrid. The participation of commercially sponsored floats along with the large influx of tourists that visit Madrid feed the discussions on the commercialisation of the event and on the relationship between neoliberalism, identity and protest. These debates are connected to the old tensions (60s-70s) between critical activism and assimilationist/mainstream activism, that is, between a queer activism which promotes a radical social transformation and a mainstreaming activism which promotes sexual citizenship and human rights. Both are frequently presented as oppositional.

This lecture delves into the paradoxical and ambivalence quality of Pride Parades in Spain through the analysis of three main spheres: bodies, business and politics. I will analyse bodies as political elements, their evolution and their relation with (LGTB) business and politics. Radical and mainstream activism are presented as oppositional; business and politics are often presented as contradictory. I propose to analyse these spheres in different terms in order to discuss how productive the tensions between queer/radical and mainstream activism are and how productive the tensions between market, spectacle, institutionalised politics and activism can be.

This lecture is based on a ten-year-long ethnographic fieldwork on Pride celebrations (critical and mainstream) in Spain which combined participant observation, digital ethnography, visual methods and in-depth interviews.

Bio

Begonya Enguix is an Associate Professor in the Arts and Humanities Department of the Universitat Oberta de Catalunya (UOC, Barcelona). She holds a BA in American Anthropology, a BA in Advertising and a PhD in Social and Cultural Anthropology. Since 2015 she organises the Men in Movement (MIM) International Conferences. In 2019 she held the Aigner Rollett Guest Professorship in Women’s and Gender Studies at Karl-Franzens Universität, Graz, where she still lectures on gender and masculinities. She is the PI of the research group »Medusa: Genders in Transition. Masculinities, Bodies, Affects and Technoscience« (UOC), recognised as a consolidated research group by the Generalitat de Catalunya and also belongs to other national and international research groups.

She has been involved in national and international research projects on migrations, bodies, masculinity, sexuality, love and digital identities among others. She has just finished the projects »Genders and Postgenders: A Cartography of Gender Meanings (for Social Transformation)« (National Programme of R+D), and »Knitting Sovereignty and Secessionism: Politics, Emotions and Affects« (Generalitat de Catalunya). She is a member of the Masculinity, Sex and Popular Culture Network (AHRC Research Grants; GB; PI John Mercer, Univ. Birmingham) and of the international project »Queery’ing resilience: Leveraging information & communication technologies to negotiate gender and sexual minority youth identity and wellbeing within diverse global contexts« (https://www.inqyr.org/) (Social Sciences and Humanities Research Council, Canada). She lectures and conducts research on gender (particularly masculinities and other gender expressions), bodies, sexualities, affects, identities, and their assemblage with the digital, with activism and politics.

Among her recent publications are the books »Pensar la antropología en clave posthumanista«, [Thinking about Anthropology in a Posthumanist Way] (ed. CSIC-Biblioteca de Antropología, edited with Josep Martí Pérez, in press), »Sexualities, Gender and Violence: A View from the Iberian Peninsula« (edited with Cristina Pereira Vieira, 2020) and »Orgullo, Protesta, Negocio y otras Derivas LGTB« [Pride, Protest, Business and other LGTB Becomings] (2019). She has recently published the articles »›Overflown bodies‹ as Critical-Political Transformations› (Feminist Theory, 2020, Vol. 21: 4, pp. 465–481), »Rebel Bodies: Feminism as Resistance in the Catalan pro-Independence Left« (European Journal of English Studies, 2021) and the chapters »Las (nuevas) masculinidades a debate: poder, privilegio, cuerpo y cuidado« [A Debate on New Masculinities: Power, Privilege, Body and care] (Madrid: Dykinson, 2020), »Reshaping and Hacking Gendered Bodies: Gay Bears and pro-Independence Catalan Militants« (New York: Berghan Books, 2021) and ›El hombre bisonte y el cuerpo nación« [The Bison Man and the Body- Nation] (Barcelona: Icaria, 2022).

 

Valentin Guillaume Meneau (Paris-Lodron-Universität Salzburg)
Queerness and/or DanceSport: Mapping LGBTQI along a Compulsive Heteronormative Dispositive

Even though DanceSport nowadays is a multibillion-dollar industry providing leisure as well as professional opportunities to thousands of dancers worldwide, Academia has been quite silent about it. If aspects of DanceSport, such as its grounding in imperialist and neocolonialist practices, or its side products, such as Dancing Stars, have found some interest, its relationship to the LGBTQIA+ community and to queerness in general has scarcely been considered. However, from the standardization of its movement vocabulary in England prior to 1960 until now, DanceSport has experienced great transformations – not particularly for the better, in terms of inclusivity and diversity.

In this paper, I show how DanceSport transformed along its relationship to queerness. By drawing a different history of DanceSport, I highlight how DanceSport’s dispositive – its dance vocabulary, but also its costumes, its practices, and its discourse – have moved away from what was perceived as queer, always aiming towards reinforcing the gender binary and heteronormativity. Constantly threatened by the male dancing body in Western societies, DanceSport’s compulsive and constant effort to create distance with queerness and deviant bodies and sexualities has driven the industry’s evolution over the last 70 years – a change that can be read on its primary product: competitive dancing bodies.

Not only did this condition the fashion industry attached to DanceSport, or the choreographies, it also resulted in a particularly tensed and awkward relationship with queer dancers, even as Equality competitions – exclusive competitions for same-sex couples – blossomed around the world. In a scene constantly misread by academics as camp, queerness is both constitutive and threatening, but never quite about queering DanceSport.

The paper is related to a dissertation project in Dance Studies at the University of Salzburg. The empirical basis of the work is autoethnography, participatory observation, qualitative interviews, image, dance and discourse analysis.

Bio

Valentin Meneau (they/them) completed a Bachelor’s degree in Musicology (Besançon), followed by a Master’s in the same discipline and a Master’s in Gender Studies in Graz. In both Master’s theses, they have written about DanceSport, first focusing on the social concept of musicality, then on the way genders are inscribed into DanceSport’s movement vocabulary. In their dissertation, Valentin works on establishing a dispositive analysis of hypersexualized gender performances in DanceSport, for which they use many established methods in Cultural Anthropology. The working title is »Queering DanceSport – a Dispositive Analysis of Asymmetrical Hypersexualization in Latin American Competitive Dancing«. They have been awarded a DOC grant from the ÖAW for the project.

 

Konstantin Mack (Julius-Maximilians-Universität Würzburg)
Auf den Hund gekommen – Spiel, Sexualität und Gemeinschaft im Pup Play

 Die alljährlichen Pride- bzw. Christopher Street Day (CSD)-Veranstaltungen werden nicht nur immer größer, sondern auch vielfältiger und bunter: besonders Teilnehmer:innen mit Hundemasken, Ledergeschirren und Leinen erregen dabei die Aufmerksamkeit von Außenstehenden wie Teilen der LGBT-Community selbst. Pup Play ist ein Rollenspiel, das Ähnlichkeiten mit Praktiken des BDSM aufweist, bei dem es darum geht, die Rolle eines Hundes einzunehmen. Die selbsternannten Pups oder Puppies mimen dazu hündisches Verhalten, indem sie sich etwa auf allen Vieren bewegen und bellen; sie spielen mit Hundespielzeug und adaptieren charakterliche Eigenschaften, die gemeinhin mit Hunden assoziiert werden: kurze Aufmerksamkeitsspanne, Neugierde und Loyalität. Gerne greifen Puppies dazu auf bestimmte Ausrüstung zurück, um den Übergang in die Rolle des Hundes auch nach außen hin zu markieren: insbesondere Masken, Halsbänder und Leinen, aber auch Knieschoner und Handschuhe sind beliebte Accessoires. Einige tragen Latex- oder Lederkleidung, um ihre Zugehörigkeit zu diesen Fetisch-Szenen auszudrücken. Pup Play ist kein ausschließlich erotischer Fetisch, sondern konstituiert sich vor allem über seinen sozialen Aspekt: Pup Play wird in der Regel nicht alleine gespielt, sondern in Interaktion mit anderen Puppies. Herrchen und Frauchen (im Englischen handler) gehören ebenfalls zur Community, spielen aber nicht die Rolle des Hundes, sondern übernehmen – ganz analog zur Mensch-Haustier-Beziehung – die Verantwortung für einen oder mehreren Puppies und gehen insofern auch eine gewisse längerfristige Verbindlichkeit ein, sich um die:den andere:n zu kümmern.

Meine Abschlussarbeit »Hund müsste man sein – Kulturanthropologische Perspektiven auf Pup Play« stellt den ersten dezidiert kulturanthropologischen Zugang zu diesem Feld dar. Ein Feld, das ich teilnehmend beobachtend mehrere Monate hinweg intensiv begleitet habe und das trotz seines beständigen Mitgliederwachstums weitgehend unbekannt ist. Dabei werden in der Szene auch Diskurse um den Stellenwert von Arbeit und Freizeit ausgehandelt sowie Fragen nach der (Un-)Sichtbarkeit queeren Lebens gestellt.

Ebenfalls wenig sichtbar sind queere Themen im Vielnamenfach Kulturanthropologie/Europäische Ethnologie/Empirische Kulturwissenschaft/ Volkskunde – nicht zuletzt aufgrund von gesellschaftlichen Tabus, Marginalisierungen und Stigmata. Daher soll der Vortrag auch Raum geben, diese auszuloten und (selbst-)kritisch derlei Hürden im akademischen Alltag zu diskutieren.

 Bio

2015–2018: B.A.-Studium der Europäischen Ethnologie/Volkskunde und Philosophie an der Julius-Maximilians-Universität Würzburg Abschlussarbeit: »Politischer Pop. Der Eurovision Song Contest 2018 im Spannungsfeld zwischen Emanzipation und Antisemitismus«

2018–2021: M.A.-Studium der Europäische Ethnologie/Volkskunde und Philosophie, in Würzburg. Abschlussarbeit: »Hund müsste man sein. Kulturanthropologische Perspektiven auf Pup Play«

Aktuell: Wissenschaftlicher Mitarbeiter und Lehrbeauftragter am Lehrstuhl für Europäische Ethnologie/Volkskunde in Würzburg.

 

 

 

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