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Gedenken in der Josefstadt

Es ist dem Engagement der Eigentümergemeinschaft des Hauses in der Josefstädterstraße 14 zu verdanken, dass direkt neben der Haustür eine Tafel angebracht wurde, auf der an sieben ehemalige Bewohner:innen erinnert wird, die in der NS-Zeit ermordet wurden. Wegen ihrer jüdischen Herkunft deportiert und in unterschiedlichen Konzentrationslagern ermordet wurden: Cäcilie Binder, Karl Elster, Mina Elster, Emma Lusic, Marie Singer und Otto Singer. Über ihre Lebensgeschichten ist wenig bekannt.

Die siebte Person ist Josef Salomon. Er wurde als Homosexueller verfolgt und ermordet. Es ist der Hausgemeinschaft und dem Verein Steine der Erinnerung zu danken, dass damit erstmals in Wien mit einer Gedenktafel einem homosexuellen NS-Opfer gedacht wird. Qwien wurde zudem eingeladen, bei der Enthüllung letzte Woche seine Recherchen über Josef Salomon zu seinem Gedenken vorzutragen:

Josef Salomon (6.8.1868 – 12.1.1945)

Wir wissen wenig über die Lebensumstände von Josef Salomon, da die Akten seines Strafverfahrens verloren gegangen sind. Er wurde 1868 in der kleinen Ortschaft Großhaselbach im Bezirk Zwettl in Niederösterreich geboren. Er war römisch-katholisch getauft und irgendwann einmal verheiratet gewesen, denn er wird in Dokumenten als „geschieden“ bezeichnet. Erstmals taucht sein Name im Lehmann – dem Wiener Adressverzeichnis – des Jahres 1920 auf. Schon damals mit der Adresse Josefstädterstraße 14.

Als Berufsbezeichnung wird Schneidermeister angegeben. Zum Zeitpunkt seiner Verhaftung am 14. Oktober 1942 war er mit 74 Jahren aber schon pensioniert. Seine Festnahme erfolgte im Zuge einer Razzia durch Kripobeamte im Römerbad, das in der Nähe des Pratersterns gelegen als Treffpunkt homosexueller Männer polizeibekannt war. Josef Salomon wurde beschuldigt, mit jungen Männern, die sich dort als Strichjungen einen Unterhalt verdienten, sexuelle Kontakte aufgenommen zu haben.

Da er bereits 1938 und 1940 wegen des „Verbrechens der Unzucht wider die Natur“, wie es im seit 1852 geltenden § 129 Ib des auch in der NS-Zeit geltenden österreichischen Strafrecht hieß, zu vier bzw. fünf Monaten schwerem Kerker verurteilt worden, fiel die Strafe diesmal mit zwei Jahren Zuchthaus drastisch hoch aus. Wo er die Strafe absaß, ist nicht klar. Die Haftanstalt Stein an der Donau wäre eine Möglichkeit.

Auf einem Meldezettel aus dem Jahr 1944 erfahren wir, dass Salomon seit 13. November 1944 „als Homosexueller mit der Bestimmung für V. H. im hiesigen Polizeigefängnis“ einsaß. Die Abkürzung V.H. bedeutet Vorbeugehaft, das heißt, dass eine Einweisung in ein Konzentrationslager angewiesen wurde. Josef Salomon galt nach NS-Kriterien wegen seiner dreimaligen Verurteilung als „Gewohnheitsverbrecher“, vor dem die „Volksgemeinschaft“ zu schützen sei.

Der letzte Meldezettel von Josef Salomon (Foto: Irmtraud Karlsson)

Am 30. Dezember 1944 wurde er ins KZ Dachau eingeliefert und dort als „Sicherheitsverwahrter“ (im NS-Jargon: Berufsverbrecher) mit einem grünen Winkel geführt. Gemeinhin gelten Homosexuelle heute als Rosa-Winkel-Häftlinge, jüngere Forschungen zeigen aber, dass eine nicht zu unterschätzende Zahl Homosexueller nicht dieser Kategorie zugeschlagen wurden.

In der Sterbeurkunde des KZ ist als Todesdatum der 12.1.1945 verzeichnet. Aus den Notizen der Schreiber des Krankenreviers entnehmen wir, dass Salomon in den Block 9, Stube 3 des Krankenreviers gebracht wurde und dort bereits am 11.1.1945 starb. Die tatsächliche Todesursache ist nicht bekannt. Aufgrund des hohen Alters von Salomon mit 76 Jahren hatte er angesichts der katastrophalen Zustände im KZ Dachau zum Jahresbeginn 1945 kaum eine Überlebenschance.

Aus Wien wurden mehr als 120 Männer wegen homosexueller Handlungen in NS-Konzentrationslager eingewiesen. 70% dieser Männer überlebten die KZ-Haft nicht. Jene die überlebten galten auch in der Nachkriegszeit als rechtskräftig verurteilte Sexualstraftäter, die keinen Anspruch auf Wiedergutmachung hatten. So wurde ihre Haftzeiten nicht als pensionsrelevante Zeiten anerkannt, hätten sie als Aufseher im KZ gearbeitet, wäre dies kein Problem gewesen. Auch mit der Abschaffung des Totalverbots durch die Minderheitsregierung von Bruno Kreisky im August 1971 änderte sich nichts für die homosexuellen NS-Opfer.

Erst mit der Schaffung des Nationalfonds der Republik Österreich für die Opfer des Nationalsozialismus hatten sie Anspruch auf eine einmalige Zahlung von ca. 5.000,- bis 7.000,- Euro. Erst 2005 – 60 Jahre nach dem Ende des Nazi-Terrors – wurden sie offiziell ins Opferfürsorgegesetz aufgenommen. Zu Spät! Es hat sich beim Nationalfonds kein einziger Antragsberechtigter gemeldet.

Dafür gedenken wir hier heute 80 Jahre nach der Befreiung eines Opfers der NS-Homosexuellenverfolgung. Das Gedenken an Josef Salomon mag stellvertretend stehen für die Vielen, derer bislang nicht gedacht wurde.

Der Hausgemeinschaft der Josefstädterstraße 14 ist dafür herzlich zu danken.

Text Andreas Brunner; Foto: Shervin Sadari/BV8

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