Ervin Malakaj analysiert den deutschen Film Anders als die Anderen in seinem Beitrag zur Reihe Queer Film Classics (hrsg. Matthew Hays, Thomas Waugh). Tara Prochaska empfiehlt das Buch für Liebhaber*innen queerer Filmgeschichte.
Anders als die Anderen wurde 1919 erstmals im Berliner Apollo-Theater gezeigt. Der Musiker Paul Körner wird aufgrund seiner Homosexualität und Beziehung zu seinem Schüler Kurt Sivers erpresst und angezeigt. Obwohl der Richter Sympathie mit Körner zeigt; muss dieser aufgrund des Paragraphen 175 eine Woche ins Gefängnis. Weil seine Homosexualität während des Prozesses an die Öffentlichkeit gelangt ist, er von Bekannten ignoriert wird und ihn sein Vater in einem Brief dazu auffordert, nimmt er sich schlussendlich das Leben.
Obwohl die gesamte Zusammenfassung aus zweiter Hand bekannt ist, ist der Film aufgrund seiner Rezeptionsgeschichte nur noch in Fragmenten erhalten. Im Nationalsozialismus wurde der Film verboten und teilweise zerstört, bis in die 1970er Jahre war er verschollen. Der Fokus Ervin Malakajs Diskussion liegt vor allem auf der Rolle von Negativität, Melodramatik und Trauer in Anders als die Anderen. Durch diese Darstellung queeren Lebens kommentiert der Regisseur Richard Oswald zeitgenössische Lebenswelten queerer Personen und die Komplexität ihrer Emotionen.
Ervin Malakaj widmet sich zunächst der Entstehungsgeschichte des Films, welche in enger Beziehung zum Melodrama als Genre, frühen Diskursen zur Gleichberechtigung von nicht heterosexuellen Personen und zeitgenössischen Auffassungen der Sexologie zu Homosexualität steht. Dabei sind auch die Beteiligung und das Auftreten des renommierten Sexualwissenschaftlers Magnus Hirschfeld, welcher einen Vortrag zu Homosexualität und ihren natürlichen Ursprüngen hält, interessant. Die Mimik und Gestik sowie der generelle Stil des Filmes stehen im Mittelpunkt des zweiten Kapitels. Im Kontext dieser Aspekte wird das Genre des Melodramas analysiert und die künstlerisch erschaffene Verbindung zwischen Publikum und den negativen Innenwelten der Charaktere hervorgehoben. Durch Methoden der Filmwissenschaft wird tiefer in die Intimität und Komplexität des Filmes eingetaucht.
Das dritte Kapitel beschäftigt sich intensiver mit der Aktualität des Filmes und der Bedeutung von Negativität im Umgang mit queerer Geschichte. Laut Malakaj ist die Auseinandersetzung mit historischen Dokumenten wie Anders als die Anderen relevant, um schwierige Aspekte queerer Geschichte aufzuarbeiten. Er schreibt:
„Giving ourselves over to the painful stories in queer history means confronting the
heavy burden of historical injury commited against queer people.“
Damit wird ein Bogen zur heutigen Relevanz früher queerer Medien und der Auseinandersetzung mit Filmen wie Anders als die Anderen gespannt. Negativität ist für den Autor eine wertvolle Analysekategorie für den Bereich queerer Filmgeschichte, welche zu neuen Perspektiven und Erkenntnissen führen kann.
Dieser Beitrag zu der Queer Film Classics Reihe diskutiert interessante Aspekte eines Meilensteins im Bereich queerer Medien. Der kultur- und filmhistorische Bezugsrahmen des Films wird von Malakaj neu beleuchtet, der Autor zeigt die Relevanz des Werkes und leistet beeindruckende Arbeit zu dessen Aufarbeitung, bestehender Relevanz und Kontextualisierung.
Ervin Malakaj: Anders als die Anderen. Montreal: McGill-Queen’s University Press 2023 (in englischer Sprache)