© Mario Kiesenhofer, Lichtstudie zu Aura, 2025Übersicht
In seiner künstlerischen Praxis beschäftigt sich Mario Kiesenhofer mit der Sichtbarkeit queerer Räume und Communities. Für sein neues Projekt tritt er in einen fotografischen Dialog mit den Archivalien von Qwien.
Die Fotoserie Aura untersucht die unsichtbaren Dimensionen queerer Geschichte durch die Auseinandersetzung mit ausgewählten Objekten aus dem Qwien-Archiv. Diese werden in einen visuellen Kontext überführt, der Überlegungen zur Aura, zur transgenerationalen Traumaforschung sowie zur Fotografie als Medium des Unsichtbaren im Sinne Walter Benjamins miteinander in Beziehung setzt.
Ein Projekt im Rahmen von Foto Wien 2025.
Gefördert von: Bundesministerium für Wohnen, Kunst, Kultur, Medien und Sport; Margareten Kultur; Bildrecht.
Qwien wird gefördert von: Stadt Wien Kultur und Stadt Wien Bildung und Jugend.
Text zur Ausstellung von Walter Seidl
Mario Kiesenhofers fotografische Serie von Archivalien des Qwien fokussiert die Geschichte queerer und insbesondere schwuler Lebensweisen, für die er die Objekte in ein auratisiertes Erscheinungsbild rückt. Der Künstler verwendet dabei In-Camera-Effekte, die direkt beim Fotografieren durch verschiedene Filter vor dem Objektiv entstehen. Die aktivierende Dynamik, die den Bildern innewohnt, schreibt sich durch die Kombination aus Blitzlicht und eine leichte Bewegung der Kamera beim Auslösen in den Sensor ein.
Kiesenhofer bedient sich einer Doppelstrategie. Zunächst handelt es sich um die Auswahl der zu fotografierenden Objekte, die beim Künstler eine innere Resonanz auslösen und dadurch ihre auratische Wirkung zeigen. Mit Hilfe des fotografischen Dispositivs zieht Kiesenhofer eine zweite Ebene ein, um die Objekte auch für Betrachter:innen in ein auratisiertes Bildfeld zu rücken. Präsentiert als farblich und konzeptionell durchkomponierte Serie beziehen sich die einzelnen Fotografien auf Momente einer Geschichte, die von Schmerz, Stigma und Trauma geprägt ist – in letzterem steckt übrigens auch das Wort Aura. Die fotografische Bewegung führt zu einem Verwischen des Dargestellten und wirft die Frage auf, wie weit Erinnerungsmomente an Stufen der Befreiung hinsichtlich einer Akzeptanz gleichgeschlechtlicher Praktiken, der AIDS-Krise sowie Entwicklung der HIV-Bekämpfung und Prävention ineinander übergreifen.
Kiesenhofers fotografische Geschichte beginnt mit der Bestätigung der Verurteilung von Franz X. Gugg im Jahr 1969 wegen „Verbrechens der Unzucht wider die Natur mit Personen desselben Geschlechts gem. §129 Ib StG 1852“. Ein Antrag auf Wiederverleihung des Doktortitels rekurriert ebenso auf jene gesellschaftlichen Mechanismen, die einst zu einer Entmächtigung des Subjekts führten und spezifische Nachwehen in einer post-nazistischen Ära aufzeigen. Umso wichtiger galt das Entstehen von Safe Spaces, die zum Community Building beitragen, etwa der von 1989 bis 2021 existierende Club Wiener Freiheit, von dem ein Kästchen für Wertgegenstände sowie ein Fassadenschild zu sehen sind. Teil dieser archivalen Geschichte ist auch ein T-Shirt mit dem Slogan „SILENCE=DEATH“ der 1986 vom Silence= Death Project in New York entworfen und anschließend von der Aktivistengruppe ACT UP übernommen wurde, um Bewusstsein für die AIDS-Pandemie zu schaffen und sich gegen eine
gesellschaftliche Stigmatisierung zu engagieren. Parallel zur Entwicklung des politischen Aktivismus und Clublebens steht der medizinische Fortschritt innerhalb der HIV-Forschung. Hierfür gilt unter anderem das Abbild jener Tablette, die HIV von einer tödlichen in eine chronisch behandelbare Krankheit verwandelte – bis hin zu PrEP als ultimativ präventiver Möglichkeit.
Mit diesen Gegenständen einer Geschichte bezieht sich Kiesenhofer auf Walter Benjamins Definition von Aura, die mit den Begriffen „Unnahbarkeit“, „Echtheit“ und „Einmaligkeit“ verbunden ist. Diese Begriffe gelten definitiv für die vom Künstler ausgewählten Objekte, deren fotografische Abbildungen bei all jenen, die sich als Teil einer queeren Geschichte verstehen, zahlreiche Erinnerungen wachrufen.
Datum
8. Oktober – 2. November 2025
Eröffnung: Dienstag, 7. Oktober 2025, 18:30 Uhr





